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Herbstmorgen

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Wann genau der Spätsommer in den Herbst übergeht, lässt sich gar nicht so genau sagen. Scheinbar fließend, denn wer möchte die Spätsommertage gern hergeben? Noch wärmt die Nachmittagssonne, erste Blätter färben sich und der Duft von frischem Heu weicht langsam dem Geruch von herabfallendem Laub, Harz und Moos. Und dann sind sie da, die ersten Herbstnebel. Für manche sind sie ein Graus, morgens auf der Fahrt zur Arbeit. Doch am Wochenende, wenn die Uhren langsamer zu gehen scheinen, dann ist ein Herbstnebel durchaus faszinierend. So wie heute. Er schwebt über der Elbwiese und verschluckt die uns bekannten Geräusche. Kühl und frisch ist die Luft, von den Blättern perlen kleine Wassertropfen. Die nahe Elbe ist kaum zu sehen, nur leise kann man ihr Wasser wahrnehmen. Es knackt; ein Biber ist auf der Suche nach Futter. Er blickt zu den jungen Ästen der alten Kopfweiden. Unweit steht ein Baum, der schon länger keine Blätter mehr trägt. Auf seinen Ästen sitzen Krähen und rufen. Bevor sich

Das Märchen der Zauberäpfel vom Apollensberg

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  Westlich der Stadt Wittenberg, im Ortsteil Apollensdorf, da steht er - der Apollensberg! Von seinem Gipfel aus kann man sehen, wie sich die Elbe durch die Elbaue schlängelt. Schon viele hundert Jahre flattern Schmetterlinge über die Streuobstwiese, über seltene Pflanzen, wie einst die Pechnelke, und auf den Steinen sonnen sich Schlingnattern in der Abendsonne. Aber noch etwas gab es dort - die Zauberäpfel vom Apollensberg. Vor vielen hundert Jahren stand auf dem Apollensberg eine Kapelle. Sie war nicht sehr groß. Wenn durch die Bleiglasscheiben das weiche Licht der Abendsonne schien, spiegelten sich die bunten Farben im Gesicht der jungen Frau, die im Sommer jeden Abend in dem kleinen Garten nebenan Blumen,  aromatische Kräuter und junge Weinreben goss. Eines Tages entdeckte sie unweit der Kapelle einen Apfelbaum. Er musste dort über Nacht gewachsen sein, denn nie zuvor war ihr der Apfelbaum dort aufgefallen. Die junge Frau streckte sich und pflückte vorsichtig einige rote Äpfel, di

Feuerwehrkinder ganz groß

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Der kleine Horst war mit seinen sieben Jahren nicht mehr der Jüngste aber auch nicht der Älteste bei den Feuerwehrkindern. Er wollte so sein wie sein Papa, der bei jedem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr mit den anderen Feuerwehrmännern und Feuerwehrfrauen entweder einen Brand löschte, nach einem Sturm Bäume von der Straße räumte oder nach einem Gewitter vollgelaufene Keller leer pumpte; und sogar schon einmal die Katze von Frau Trautzsch gerettet hatte, als sie von deren großen Nussbaum nicht mehr selbst herabklettern konnte. Horst war sehr stolz auf seinen Papa, der heute Abend in seiner blauen Feuerwehruniform vom Bürgermeister eine Auszeichnung erhielt. Papa und all die anderen Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr feierten im Rathaus ihr 20jähriges Jubiläum. Wenn Horst eines Tages groß sein wird, dann bekommen er und die anderen Feuerwehrkinder auch eine solche Urkunde, darauf freuten sie sich schon. Denn jedes Mal, wenn sie zum Gerätehaus gingen, dann staunten die Jungen und Mädc

Commissaria Barbara Barbera und die Tote im Pool

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Von ihrem Platz aus konnte Commissaria Barbara Barbera genau auf die Kirchturmuhr blicken. Der Piazza, auf dem die Kirche vor einigen Jahrhunderten erbaut wurde, war nicht weit entfernt. Heute Abend leuchtete nicht nur der Kirchturm; auch das ganze Städtchen schien von der Abendsonne in ein weiches Orange getaucht zu sein. Solche wunderschönen Sonnenuntergänge gibt es nur hier im Herzen der Toscana, dachte die Commissaria. Sie war über das lange Wochenende zu ihren Eltern gekommen, die noch immer in dem Casa wohnten, in dem die Commissaria aufgewachsen war. Vier freie Tage, und weit genug von der Questura entfernt, um angerufen zu werden, falls man sie im zweihundertzwanzig  Kilometer entfernten Macerata brauchen würde. Nein, sie hatte frei und freute sich auf diesen schönen Abend. Sie hörte den vielen Stimmen zu, die um sie herum erklangen. Ihre Familie, Freunde, Nachbarn - sie alle saßen an einer langen Tafel. Dieses Stadtteilfest war schon viele, viele Jahre zur Tradition geworden.

Eine unerwartete Begegnung an der Elbe

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  An einem warmen Frühlingsmorgen war das junge Biberkind schon zeitig aufgewacht. Seine Eltern schnarchten neben ihm im Biberbau:  "CHCHCHCH CHCHCHCH CHCHCHCH". Die kleine Nachtigall, die jeden Morgen so wunderschön sang, hatte es geweckt. Vorsichtig blinzelte der kleine Biber durch die Zweige, die den Eingang  zum Bau versperrten. Das Wasser vom nahen Bach, der den Rehkolk mit der Elbe verband, plätscherte ruhig vor sich hin. Da kam ein neues Geräusch dazu; ein Geräusch, das der kleine Biber noch nicht kannte - die schnellen Schritte eines Menschen mit dem gleichmäßigen Klick Klack der beiden Walkingstöcke links und rechts. Neugierig krabbelte das Biberkind durch die vielen Äste und Zweige hinaus ins Freie. Da Biber von Natur aus nicht besonders gut sehen, lief er das kurze Stück über die Elbwiese bis zum Ufer, um von nahem zu sehen, woher die Geräusche kamen. Plötzlich war das Klick Klack verstummt. Der kleine Biber blieb stehen und lauschte. Dann lief er weiter. Zur gleic

Walpurgisfrauen

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Almut konnte an diesem Tag den Feierabend kaum erwarten. Der Blick auf die Uhr, die schon seit dem Ende ihrer Ausbildung über der Tür der Poststelle in der Kreisverwaltung hing, verriet ihr, dass es in wenigen Minuten Zeit für die Mittagspause war. Sie freute sich auf den Kurzurlaub mit ihrer Freundin Birgit. Sie freute sich so sehr, dass ihr heute sogar die mit dünner Butter beschmierte Graubrotstulle schmeckte, zu der sie grüne Gurkenscheiben knabberte. Ihr Handy piepste. Eine Nachricht von Birgit, ob für die morgige Fahrt alles okay wäre. Birgit, ihre Freundin aus Kinderzeiten, die genervte Mitbürger im Bürgerbüro beriet, so gut es eben ging. Mit ihr war es immer lustig, schon lange wollten sie eine Tour in den Harz machen und nun war es endlich so weit. Die Taschen waren gepackt und Frau Lewe, ihre Nachbarin, würde sich die paar Tage um Almuts Katze Luna kümmern. Das Hotel in Wernigerode war nicht sehr groß und lag direkt im Stadtzentrum. Die Hotelzimmer gingen zum Markt, von wo

Die Geschichte vom Eihorn, der Hummel und dem Osterhasen

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  Die Wasseroberfläche war ganz still. Wie ein großer Spiegel lag der See vor dem Eihorn. Es konnte sein weiches, braunes Fell sehen und auch das orange Ei auf seinem Kopf. Traurig seufzte das Eihorn. Das Ei juckte nämlich fürchterlich doch das Eihorn konnte sich nicht selbst kratzen. Das Eihorn blickte sich um und trabte auf einen Apfelbaum zu, der herrlich blühte. Eine dicke Hummel flog von Blüte zu Blüte und ließ sich auch nicht stören, als das Eihorn seinen Kopf am Stamm rieb, damit das Ei zwischen seinen Ohren nicht mehr so jucken würde. Plötzlich hielt die Hummel inne. "Warum hast du ein Ei auf dem Kopf?", fragte sie. "Hast du das Ei vom Osterhasen bekommen? Das sieht ja schön aus! Aber warum bist du so traurig". "Du musst mir helfen und mich kratzen!", bat das Eihorn die Hummel, doch die Hände der Hummel waren zu klein. "Warte hier, ich fliege zum Osterhasen, vielleicht hat der einen Rat! Ich habe ihn vorhin gesehen, als er Ostereier

Fam. Trautzsch's Osterfest einmal ganz anders

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Edeltraut Trautzsch lag eines Morgens mit verschränkten Armen unter dem Kopf und einer Altweiberkrise in ihrer Betthälfte. Die sonst so taffe Rentnerin hatte einfach zu viel Zeit. Ihr fehlte die Arbeit in der Stadtbibliothek, ihr fehlten die Kolleginnen und vor allem fehlten ihr die Besucher. In vierzehn Tagen würde sie das bevorstehende Osterfest zum vierten Mal als Rentnerin erleben. Sie seufzte. Resolut schlug Edeltraut ihre Bettdecke zurück und sprach energisch zu ihrem Herbert, der noch schlief: "Herbertchen, so geht es nicht weiter! Ich brauche Tapetenwechsel, wir müssen renovieren!" 'WIR MÜSSEN RENOVIEREN', die Worte schallten wie eine Glocke in den Ohren von Herbert Trautzsch - und das Echo der Glocke wollte nicht aufhören. "Ich mag nicht renovieren", seufzte er schlaftrunken und fügte hinzu: "Fahr doch ein paar Tage zu den Kindern. Oder mit Jutta vom Kegelverein an die Ostsee. Oder mach was deinen Freundinnen Elfriede, Sieglinde und Helga &quo

Die Dame mit Hut

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Als ich mir im Vorfeld überlegte, wie ich  meine neue Geschichte, die übrigens wieder in Italien spielt, nennen würde, fiel mir sofort dieser Name ein: Die Dame mit Hut. Auch wenn mir sofort klar war, dass manche(r ) von Euch sich diese Dame beim Lesen der Geschichte bestimmt ganz anders vorstellt, als ich sie kennengelernt habe. Es war an einem Frühlingstag, die Italiener nennen diese Jahreszeit übrigens Primavera und schenken diesem Wort beim Aussprechen eine sehr schöne Melodie. Ich saß auf der Terrasse eines Cafès und nippte an einem Espresso, wie wir in Deutschland sagen, und woran die Kellner sofort erkennen, dass du kein Italiener bist. Die Italiener bleiben nämlich an der Bar stehen, sagen "Un caffè per favore" und trinken ihn im Stehen, während sie mit Nachbarn oder Bekannten sprechen. Dabei legen sie ihren Euro auf die Theke und sind auch gleich wieder verschwunden. Ich dagegen genoss ihn im Sitzen und freute mich über das neue rote Sommerkleid in der  Tüte, die an

Knut's Knutfest

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  "Ausgerechnet mir muss das passieren!", knurrte Knut mürrisch vor sich hin. Als ob er heute nicht schon oft genug der Lacher des Abends war. Fast jeder, der ihn kannte, hatte einen Spruch für ihn. Ob es denn Knut's eigenes Fest wäre oder, ob er in Schweden so bekannt wäre, dass man das Knutfest nach ihm benannt habe. Und nun auch noch die Kommentare, dass er auf gar keinen Fall zum Verkäufer für Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt umschulen solle; oder die Frage, ob er mit seinen Händen grad die Temperatur des Wasser fühlen würde. Knut saß in seiner Feuerwehruniform am fast niedergebrannten Feuer und hielt seine geschwollenen Hände in eine Schüssel mit kaltem Wasser. Im Laufe des Abends hatte er beim Verkauf der Bratwürste mitgeholfen und wollte nur den Frauen am Getränkestand behilflich sein, den Topf mit dem Glühwein vom Herd zu nehmen. Aber genauso schnell wie er zugriff, ließ er den Topf wieder los. Die Henkel des Topfes waren genauso heiß wie der Glühwein selbst. Beid

Vom Karli, der nachts keine Angst mehr hatte

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  Karl, den alle nur Karli nannten, war ein fröhlicher Junge mit Sommersprossen, blauen Augen und Haaren, die genauso braun waren wie Gustel, der kleine Hund, und die stets nach allen Seiten von seinem Kopf abstanden. Seit ein paar Monaten versuchte Karli genau wie sein Papa sie am Morgen mit einem nassen Kamm zu kämmen und mit etwas Gel zu einer Frisur zu formen. Karli ging seit ein paar Monaten zur Schule und durfte sogar schon vom Schulbus alleine nach Hause gehen. Das einzige wovor sich Karli fürchtete, war die Dunkelheit in seinem Zimmer, wenn die Sonne unterging. Neben seinem Bett stand  noch immer das kleine Nachtlicht, das ihm schon seit vielen Jahren leuchtete, wenn er nachts wach wurde. Und doch traute er sich in der Nacht nicht zur Toilette zu gehen  - im Flur könnten ja Gespenster auf ihn warten. Mama und Papa waren ratlos. Erst der Weihnachtsmann kam auf eine wunderbare Idee. Am Weihnachtsabend, als er bei Karlis Familie im Wohnzimmer die bunten Päckchen aus dem Geschenk

Ein Weihnachtsbaum voller Geschichten

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An diesem Morgen, ein Morgen in der Zeit der Rauhnächte, stand ich vor unserem Weihnachtsbaum. Es war noch nicht richtig hell und in den vielen verschiedenen Weihnachtsbaumkugeln spiegelte sich das Licht der Weihnachtsbaumbeleuchtung. Die Lichterkette verströmte ein warmes Licht, nicht dieses Kaltlicht, wie man es neuerdings fast nur noch zu kaufen bekommt. Der Weihnachtsbaum war nicht perfekt, nicht im Wuchs perfekt. Er war die Spitze einer großen Tanne, die eng zwischen vielen anderen Nadelbäumen stand. All die  Bäume waren eigens dafür angepflanzt worden, um in der Adventszeit als Weihnachtsbäume in  Häusern und Wohnungen aufgestellt zu werden. Vor drei Wochen stand also unser Weihnachtsbaum noch am Waldrand, auf einer Weihnachtsbaumplantage. Traditionell gab es dort einen Glühwein und eine Bratwurst, nachdem der jeweilige Baum erst ausgesucht, dann gefällt und anschließend in einem Netz festgezurrt wurde. Wenige Tage später stand er in unserem Wohnzimmer, das nun nach Wald dufte

"Die Tote im Fiaker" - eine Weihnachtsgeschichte

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  Jonas Pichel war noch nicht lange Kommissar beim Wiener Morddezernat. Er war stets darauf bedacht, sich gut zu kleiden, was ihm unter den Kollegen den Beinamen DER SCHÖNE JONAS brachte. Als sein Telefon klingelte, saß er mit seiner Familie am Kaffeetisch. Es war der dritte Advent und seine Mutter just in diesem Augenblick dabei, stolz ihren selbstgebackenen Christstollen aufzuschneiden. Kommissar Pichel hatte Bereitschaft und musste nun los. Er kämmte noch einmal sein braunes Haar, zog seinen ebenfalls braunen Wintermantel an und fuhr zum Tatort im Zentrum von Wien. Ein Fiaker stand unter einer Laterne im Schnee. Das Pferd davor war ganz still. Neben dem Fiaker hatte ein Taxi angehalten, die Warnblinker leuchteten in der Dunkelheit. Mehrere Polizisten sperrten weiträumig ab. "Weißt du wer Bereitschaft hat?", fragte der jüngere Polizist. "Der schöne Jonas!", antwortete der andere. "Ich habe nichts angerührt, wirklich!", antwortete Ron, der seine weich

Weihnachtszeit bei Commissaria Barbara Barbera

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  Schon am frühen Morgen wusste die Commissaria, dass dieser Tag sich nicht so gestalten würde, wie sie es sich für einen gemütlichen Adventssonntag gewünscht hätte. Gern wäre sie zu Hause geblieben oder vielleicht auch einmal wieder in die Toscana zur Familie gefahren; hätte sich von ihren Eltern verwöhnen lassen und mit der Familie zusammengesessen, mit ihnen Zeit verbracht. Vielleicht hätten sie einen Bummel über den Weihnachtsmarkt gemacht und sie hätte dort vielleicht sogar endlich Weihnachtsbaumkugeln für ihren Weihnachtsbaum in Macerata gekauft. So viele VIELLEICHT und HÄTTE. Denn sie konnte nicht weg, sie hatte Dienst in der Questura. Während sich die Commissaria das schwarze halblange Haar bürstete, blickte sie in ihr Spiegelbild. Das volle Haar hatte sie von ihrem Vater geerbt, dessen Familie aus der Toscana stammte. Ihre blauen Augen dagegen glichen denen ihrer Mama und ihrer deutschen Nonna. Heute jedoch blickten ihre blauen Augen sie müde aus dem Spiegel an. Die Weihna