Weihnachten in Not
Am Tag vor Heiligabend, also am 23. Dezember, war auf dem kleinen
Marktplatz, direkt neben der alten Feldsteinkirche, helle Aufregung. Der
elfjährige Kurt hörte das Stimmengewirr durch sein Fenster, das zum Lüften noch
offen stand. Schnell griff er nach seiner warmen Jacke, setzte die Mütze auf
und zog die Eingangstür hinter sich zu. Er folgte den lauten Stimmen. Dann sah
er, was die Bewohner so in Aufregung versetzte. Der bunt geschmückte
Weihnachtsbaum fehlte; er war einfach weg! Wie konnte das sein?
Kurt erinnerte sich an den Tag, als die Feuerwehr dabei geholfen hatte, die große Tanne aus dem Garten von Familie Albrecht zum Marktplatz zu bringen und dort aufzustellen. Frau Müller-Schmidt, die Leiterin des Kindergartens, war mit den Kindern gekommen und jedes Mädchen, jeder Junge hatte einen selbstgebastelten Stern an den Weihnachtsbaum gehängt. So war es jedes Jahr Tradition - genauso wie es Tradition war, dass die Bürgermeisterin am selben Abend die Lichterkette zum Leuchten brachte. Der Weihnachtsbaum erstrahlte und alle Kinder und Erwachsene klatschten vor Freude in die Hände.
Doch nun war der Weihnachtsbaum verschwunden. Ein kleines Mädchen weinte, die Weihnachtsgans von Frau Gänsicke zappelte unter deren Arm und schnatterte aufgeregt. Aus dem Haus von Frau Trautzsch roch es nach verbrannten Plätzchen, während sie mit einer Nachbarin Vermutungen anstellte, wo der Weihnachtsbaum jetzt wohl sein würde. Kurzum, das ganze Dorf stand Kopf.
Kurt fühlte, wie sich eine kleine Hand in seine Hand schob. Hanna, seine Schwester, sah ihn fragend an. "Findet uns der Weihnachtsmann denn überhaupt, wenn das Dorf dunkel ist?", fragte sie traurig. Kurt wusste keine richtige Antwort. Er überlegte, ob er aus Taschenlampen etwas bauen könne.
All dies beobachte der Weihnachtsmann, der noch einmal durch sein Fernglas schaute. Die Wichtel hatten seinen Schlitten bereits mit all den Geschenken für die Kinder gepackt, und die Rentiere im Stall warteten satt auf die morgige Reise. Sie waren wie jedes Jahr etwas aufgeregt, ob denn alles klappen würde.
Der Weihnachtsmann zog die Stirn in Falten, als er Kurt, Hanna und all die Dorfbewohner durch sein Fernglas sah. "Wer macht denn so etwas und stiehlt einen komplett geschmückten Weihnachtsbaum?", murmelte er in seinen Bart. Rasch rief er alle Wichtel zusammen. Aus dem Wald holten sie eine gut gewachsene Tanne und schmückten diese mit bunten Kugeln, Lichterketten und Zuckerstangen. Prächtig stand der Weihnachtsbaum in der großen Diele des Weihnachtshauses. Alle Wichtel jubelten! Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, wie die Rentiere am nächsten Morgen staunten, als auf dem Weihnachtsschlitten ganz oben ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum lag. "Weihnachtsmann, ob wir das schaffen?", fragte das älteste und erfahrenste Rentier. "Keine Angst, wir fliegen langsam um die Kurven!", lachte der Weihnachtsmann, schwang die Zügel und winkte zum Abschied allen Wichteln zu.
Kurt und Hanna hatten in der Zwischenzeit mit den anderen Kindern des Dorfes, mit einigen Eltern, mit Frau Müller-Schmidt aus dem Kindergarten und ihrem Lehrer, Herrn Breitschuh, den Marktplatz beleuchtet. Überall leuchteten Taschenlampen und Girlanden. Die Kameraden der Feuerwehr waren sogar bereit gewesen, einen großen Strahler zu Verfügung zu stellen. An diesem Dorf würde der Weihnachtsmann garantiert nicht vorbeifliegen.
Und so fand der Weihnachtsmann ohne Mühe den Marktplatz, die Kirche und jedes Haus, in dem ihn die Kinder erwarteten. Überall verteilte er Geschenke, Äpfel und Süßigkeiten. Friedlich erklangen die Glocken der alten Feldsteinkirche und glücklich strahlten die Gesichter aller Kinder. Nur ein Geschenk war übrig, das musste der Weihnachtsmann noch abgeben, allerdings heimlich und unbemerkt. Am nächsten Morgen staunten alle großen und kleinen Bewohner des Dorfes und freuten sich über den neuen Weihnachtsbaum, der nun auf dem Marktplatz stand.
Ende
PS: Für diese Geschichte hat mir meine Thea das Foto vom Weihnachtsbaum spendiert 🌲
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