Herbstmorgen
Und dann sind sie da, die ersten Herbstnebel. Für manche sind sie ein Graus, morgens auf der Fahrt zur Arbeit. Doch am Wochenende, wenn die Uhren langsamer zu gehen scheinen, dann ist ein Herbstnebel durchaus faszinierend. So wie heute. Er schwebt über der Elbwiese und verschluckt die uns bekannten Geräusche. Kühl und frisch ist die Luft, von den Blättern perlen kleine Wassertropfen.
Die nahe Elbe ist kaum zu sehen, nur leise kann man ihr Wasser wahrnehmen. Es knackt; ein Biber ist auf der Suche nach Futter. Er blickt zu den jungen Ästen der alten Kopfweiden. Unweit steht ein Baum, der schon länger keine Blätter mehr trägt. Auf seinen Ästen sitzen Krähen und rufen.
Bevor sich etwas später der Nebel lichtet, drängen erste goldene Sonnenstrahlen durch ihn hindurch. Ein besonderes Licht entsteht, so wie es nur im zeitigen Herbst zu bewundern ist.
Und dann, es ist als ob sich der Nebel wie ein Vorhang zurückzieht und die Bühne freigibt, dann kommen sie, die Kraniche. Ihre Rufe sind schon von weitem zu hören. Auf den Köpfen der erwachsenen Kraniche leuchtet es Rot, wie die sich langsam einfärbenden Weinblätter an manchen Häusern und Scheunen. Diese friedlichen Vögel ziehen in den Süden und kehren erst im Frühjahr wieder zurück.
Dann es wird wieder stiller. Aber nicht ganz so still wie zuvor. Mit dem Nebel hat sich auch die Geräuschlosigkeit verzogen.
Ein Schiff schnauft auf der Elbe vorbei, unweit bellt ein Hund. Vielleicht duftet es in der Küche heute noch nach Apfelkuchen, Quittengelee oder Kürbissuppe. Auch der Herbst hat schöne Seiten.
"Eines Morgens riechst du den Herbst.
Es ist noch nicht kalt;
es ist nicht windig;
es hat sich eigentlich
gar nichts geändert -
und doch alles.
Kurt Tucholsky"
Ende
PS: Vielen lieben Dank an meine Thea für die Kraniche ♡
Wie Wunderbar
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