Fam. Trautzsch's Osterfest einmal ganz anders


Edeltraut Trautzsch lag eines Morgens mit verschränkten Armen unter dem Kopf und einer Altweiberkrise in ihrer Betthälfte. Die sonst so taffe Rentnerin hatte einfach zu viel Zeit. Ihr fehlte die Arbeit in der Stadtbibliothek, ihr fehlten die Kolleginnen und vor allem fehlten ihr die Besucher. In vierzehn Tagen würde sie das bevorstehende Osterfest zum vierten Mal als Rentnerin erleben. Sie seufzte.

Resolut schlug Edeltraut ihre Bettdecke zurück und sprach energisch zu ihrem Herbert, der noch schlief: "Herbertchen, so geht es nicht weiter! Ich brauche Tapetenwechsel, wir müssen renovieren!"

'WIR MÜSSEN RENOVIEREN', die Worte schallten wie eine Glocke in den Ohren von Herbert Trautzsch - und das Echo der Glocke wollte nicht aufhören. "Ich mag nicht renovieren", seufzte er schlaftrunken und fügte hinzu: "Fahr doch ein paar Tage zu den Kindern. Oder mit Jutta vom Kegelverein an die Ostsee. Oder mach was deinen Freundinnen Elfriede, Sieglinde und Helga ".

Aber Edeltraut wollte nicht verreisen und auch nicht zu den Kindern fahren, die würden in zwei Wochen ja ohnehin zum Osterfest zu ihnen kommen. "Herbertchen, steh auf und trödel nicht! Wir fahren nach dem Frühstück in den Baumarkt!". Herbert Trautzsch zog sich die Decke über den Kopf und fror, als er hörte wie seine Gattin das Schlafzimmerfenster weit öffnete.

Danach stand Frau Trautzsch im Bad auf der Waage und weinte, jedes Glas Eierlikör hinterließ inzwischen ein paar Gramm mehr auf ihren Hüften. Dazu zwickte es mal hier und zwickte es mal dort. Sie war unglücklich.

DAS war zwei Wochen vor Ostern. Bis zu dem Tag, am Ostermontag, als der ärztliche Notdienst die ganze Familie Trautzsch und den Osterhasen medizinisch behandeln musste, überschlugen sich die Ereignisse im Hause Trautzsch.

Herbert hatte sich geweigert mit den Renovierungsarbeiten zu beginnen. Das führte zu einem riesigen Ehekrach. Und so blieb Edeltraut nichts anderes übrig, als selbst die Wände in der Küche zu streichen. Nur war dabei irgendetwas schiefgegangen, denn die Tapete löste sich. Schlussendlich kam ein befreundeter Maler und half in der Not, denn Herbertchen streikte noch immer.

Dafür weigerte sich dann Frau Trautzsch ihren alljährlichen Eierlikör zu brauen, den ihr Herbert fast noch mehr liebte als seine Edeltraut. Herr Trautzsch musste nun selbst die Herstellung des Eierliköres übernehmen. Dummerweise hatte er aber nicht die frischen Eier des Nachbarn für den Eierlikör genommen sondern das Paket darunter, das schon nicht mehr ganz so frisch war. Der Osterhase, der wie vor jedem Osterfest in der Hoffnung auf ein Schlückchen Eierlikör durch Edeltrauts Küchenfenster schaute, war sehr verwundert. Tage vorher war  die Küche noch  leergeräumt und kaltgeblieben. Auch den Fremden, der mit einer großen Bürste  an den Wänden schabte, kannte er nicht.

 "Irgendetwas stimmt hier nicht", flüsterte der Osterhase, als in der Küche wieder Tisch und Stühle standen und er Herrn Trautzsch am Herd werkeln  sah.

Überall stand benutztes Geschirr, die leeren Flaschen für den Eierlikör lagen im Abwaschbecken und die rohen Eier warteten noch darauf verarbeitet zu werden. Der Osterhase überlegte, ob er dem Mann der netten Frau  in der Küche helfen solle. Doch dann ließ er es bleiben, er hatte selbst noch genug zu tun.

Als dann am Ostersonntag alle Familienmitglieder und Freunde von Familie Trautzsch in ihren Osternestern jeweils ein Fläschchen Eierlikör gefunden und es ausgetrunken hatten, ging es los. Wirklich jeder, ohne Ausnahme, bekam Bauchschmerzen und die Salmonellen suchten sich alle möglichen Ausgänge um die Erkrankten zu verlassen.

Auch der Osterhase, der, nachdem er alle Ostereier in den Gärten ringsum, hinter Büschen, Hecken und in Briefkästen versteckt hatte, bekam heftiges Bauchweh. Das Bild das sich dem  Bereitschaftsarzt bot, würde er nie wieder vergessen. Auf dem Sofa bei Familie Trautzsch lagen Herbertchen, Edeltraut und zwischen ihnen, mit einer Wärmflasche auf dem Bauch, der Osterhase, der den Doktor mit glasigen Augen anschaute und leise flüsterte: "Bitte helfen Sie mir, ich fühle mich so elend!".

"Ich bin kein Tierarzt, Frau Edeltrautzsch, ich weiß jetzt nicht ..." flüsterte Dr. Reinholds ungläubig während er bei Herrn und Frau Trautzsch jeweils das Fieberthermometer prüfte. "Papperlapapp, das ist doch der echte Osterhase, Herr Doktor, der trinkt sogar Eierlikör. Was soll da schiefgehen? Er bekommt einfach die Hälfte der Dosis von uns", widersprach Edeltraut Trautzsch und strich  dem armen Osterhasen über die Stirn.

"Rufen Sie mich an, wenn es mit den Medikamenten nicht besser wird, Frau Edeltrautzsch. Oder .... wie ist denn nun Ihr Name?", fragte er. Doch er bekam keine Antwort, weil Frau Trautzsch erschöpft ihrem Gatten den Eimer rechte und fürsorglich seine Stirn abtupfte. Der ebenfalls in die Jahre gekommene Arzt  verabschiedete sich und klingelte nun nebenan bei den Nachbarn, die bereits auf ihn warteten. Auch Helene sah sehr blass aus, als sie ihm die Haustür öffnete.

Am nächsten Abend, als sein Bereitschaftsdient endete, fuhr Dr. Reinholds langsam am Haus der Familie Trautzsch vorbei. Er konnte durch das Wohnzimmerfenster sehen und rieb sich verwundert die Augen. Herbertchen, Edeltraut und der Osterhase spielten am Esstisch Karten und vor jedem stand eine dampfende Tasse Kamillentee.

Ende




 

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