"Kein! Fall für Kommissar Karlsson in Kristiansund" - eine Weihnachtsgeschichte



Als Karl Karlsson an diesem Dezembermorgen erwachte, fühlte er wieder den dumpfen Schmerz im rechten Oberkiefer. Er hatte den Anruf beim Zahnarzt immer vor sich hergeschoben und stattdessen die Schmerzen mit Medikamenten betäubt. Sein Backenzahn meldete sich bereits seit ein paar Tagen. Doch heute war auch noch die rechte Wange angeschwollen. Karl Karlsson musste unbedingt versuchen, sich bei seinem Zahnarzt behandeln zu lassen. Auch wollte er ohne Zahnschmerzen zum Seminar nach Italien fliegen, gleich in der zweiten Januarwoche, die Einladung lag noch auf seinem Schreibtisch.


Kommissar Karl Karlsson wohnte außerhalb von Kristiansund. Die Anbindung über die Autobahn war gut und er konnte in zwanzig Minuten in der Stadt sein, die auf vier Inseln verteilt und durch Norwegens älteste Oper bekannt geworden war. Er zog seine warme Jacke an, fegte den Schnee von seinem Auto und fuhr los. Während der Fahrt telefonierte er mit der freundlichen Sprechstundenhilfe, die ihm für den Vormittag einen Termin beim Doktor reservierte.

Ihm entgegen fuhr zeitgleich ein Bus, der eine Reisegruppe von Kristiansund nach Trondheim brachte. Die 19 Männer und Frauen waren allesamt Zahnärzte aus Deutschland, die sich vor vielen Jahren während des Studiums kennengelernt hatten und sich seit dem regelmäßig alle fünf Jahre trafen. Dieses Jahr blieben ihre Praxen in der ersten Adventswoche für ein paar Tage geschlossen, denn sie machten eine Reise in den Norden. In Kristiansund hatten sie den berühmten Klippfisch gegessen und in Trondheim wollten sie die wunderschönen  Polarlichter bestaunen, bevor sie am Wochenende die Heimreise antreten würden.

Ihre Stimmung war bestens. Die Reisegruppe machte sich über die köstlichen Weihnachtsplätzchen von Dr. Maier her, der bis zu diesem Zeitpunkt noch angenommen hatte, dass seine Frau die vielen Gebäckstücke für die Familie gebacken hatte. Was Dr. Maier aus Hamburg nicht ahnte, war die Tatsache, dass es die Kekse seines pubertierenden Sohnes waren - mehrere Sorten Kekse von der Klassenfahrt aus Amsterdam. Auch der Busfahrer hatte dankend nach der Metalldose mit den hübschen Weihnachtsmotiven gegriffen, die nun quer durch den Reisebus gereicht wurde.

Frau Dr. Ingelore Bergmann aus einem kleinen Dorf in Mecklenburg Vorpommern beklagte als erste die einsetzende Übelkeit. "Du hättest eben nicht so viel Klippfisch essen sollen, liebe Inge!", rief lachend Dr. Schröder aus Sachsen Anhalt. "Falls Sie eine Brechtüte brauchen, dann sagen Sie bitte Bescheid. Aber wissen Sie was? Ich habe gar keine!", kicherte der Busfahrer, der aus Wuppertal stammte und vor Jahren nach Norwegen ausgewandert war. Dann bremste er zu hastig und rutschte mit dem Bus samt Fahrgästen in eine Schneewehe. Dort steckten sie nun fest.

Karl Karlsson sah den Bus und die Kollegen von der "POLITI"  schon von weitem. Er bremste vorsichtig und hielt an. Sein Zahn schmerzte heftig und die Wange fühlte sich an, als wäre sie doppelt so dick. Ein Polizist kam auf ihn zu meinte: "Herr Kommissar, so etwas habe ich noch nie erlebt. Alles Akademiker!".

Der Kommissar gab dem Busfahrer, der ihm immer wieder freundlich zuwinkte, das Zeichen die Fahrertür wieder zu öffnen: "God Morgen, brauchst du Hilfe?".

Zum Glück schien niemand verletzt zu sein. Im Gegenteil, die Fahrgäste schienen es mit Humor zu nehmen, sangen ein Lied, das er nicht kannte, und sie klatschen dazu, jeder in einem anderen Takt.

Dann begann Dr. Wagner aus Baden Württemberg Weihnachtsgeschenke zu verteilen, bei denen es sich überwiegend um Werbegeschenke handelte. "Naaaa, waren Sie denn auch immer artig?", fragte er lachend unseren Kommissar. "Ähm, ich habe Zahnschmerzen", antwortete Karl Karlsson. "Mareike, komm doch mal. Hast du eine Zange mit? Wir operieren gleich hier im Bus!", rief er lachend nach hinten zu einer Frau, die einer anderen Frau die Hand tätschelte.

"Der Weihnachtsmann kommt, der Weihnachtsmann kommt! Seht doch nur das schöne Licht!", rief Frau Dr. Schneider aus dem Saarland ganz aufgeregt. Plötzlich wurde es still im Bus. Der Kommissar drehte sich um und sah hinter sich das ihm vertraute Polarlicht. Alle lächelten selig und Dr. Wagner stimmte ein Weihnachtslied an, das sofort alle mitsangen. "Vom Himmel hoch, da komm ich her“, schallte es durch den Bus. Der Kommissar verfolgte ungläubig, was er sah und hörte.

Wenig später kam der Abschleppdienst, der den Bus aus der Schneewehe zurück auf die Straße zog. Als Beifahrer hatte die Verkehrsgesellschaft einen Ersatzbusfahrer mitgeschickt. Dieser fuhr seinen müden Kollegen und die schlafenden Fahrgäste nach Trondheim, wo sie mit zwei Stunden Verspätung den Busbahnhof erreichten. Dort wurde die Reisegruppe von den Mitarbeitern der Abteilung für Drogendelikte erwartet. Von diesen Polarlichtern würden alle noch lange erzählen.

Kommissar Karl Karlsson fuhr in die entgegengesetzte Richtung, er würde es grad noch so zum vereinbarten Termin bei seinem Zahnarzt schaffen. Er machte das Autoradio an und summte leise die Melodie eines bekannten Weihnachtsliedes mit.





Ende Teil 1


PS: Alle Namen der Zahnärzte und deren Wohnorte sind fiktiv. Der Inhalt der Geschichte soll nicht zum Nachahmen sondern zum Schmunzeln anregen - egal ob bei Patienten oder Zahnärzten, Polizisten, Kriminalisten oder Busfahrern 😊.... 

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