Commissaria Barbara Barbera und der Fall Pane




Commissaria Barbara Barbera hatte endlich Urlaub, verdienten Urlaub. Ihr letzter Fall hatte sie an ihre Grenzen gebracht und eine Grenze zu ihrem Beruf brauchte sie jetzt dringend!

Sie hatte es nicht einfach - nicht als Frau in diesem Beruf und erst recht nicht mit diesem Namen. Wenn sie sich mit "COMMISSARIA BARBARA BARBERA" am Telefon meldete, dann war es stets still am anderen Ende. Erst nach einem "Pronto?" bekam sie eine Antwort. Sie wusste, dass ihre Kollegen hinter ihrem Rücken über ihren Namen witzelten. Barbara, und auch noch Barbera als Familienname! Dann fragten sie lachend, ob Barbara, die nach ihrer deutschen Nonna benannt war, aus Asti oder Alba stamme, wie der leckere Vino Rosso "Barbera d'Alba", den sie selbst so gern trank.

Jedoch stammte sie nicht aus dem Piemont sondern aus einem kleinen Dorf in der Toscana. Heute lebte und arbeitete die Commissaria aber mitten im Herzen einer anderen Region in Italien, die eine Mischung aus dem Piemont und der Toscana sein könnte. Und diese Region nennt sich die Marken! Sie erstreckt sich längs zwischen der Adria und den Bergen. In der Stadt Macerata war die Questura, ihre Dienststelle, in der sie arbeitete.

Aber nicht heute, heute war ihr erster Urlaubstag. Die Sonne schien heiß auf den hellen Sonnenschirm unter dem sie in der Trattoria saß, die ihren Freunden Patricia und Giorgio gehörte. Sie liebte ihre Freunde, die sich seit ein paar Jahren ihren Traum von einer eigenen Trattoria erfüllten. Neben ihr lag deren kleine Katze auf dem Steinboden. Sie war den Beiden im Frühling zugelaufen, war schreckhaft, scheu und ließ sich nicht gern streicheln. Was sie zuvor wohl erlebt haben mag? Barbara dachte hier oft über ihre Fälle nach, während sie die kleine Katze beobachtete und sie vorsichtig lockte. Wenn es ihre Zeit erlaubte, blieb sie bis zum Küchenschluss. Dann setzten sich Patricia und Giorgio zu ihr und gemeinsam ließen sie den Tag bei einem Vino ausklingen.


Barbara gefielen die schlicht eingedeckten Tische. Patricia hatte ein Händchen für die Gestaltung der Trattoria, während Giorgio in der Küche seiner Leidenschaft, dem Kochen, nachging. Vom dunklen Holz hoben sich die kleinen weißen Leinentücher ab, in deren Mitte jeweils eine einfache Glasvase mit einigen Zweigen Rosmarin stand. In manchen Vasen waren schon kleine Wurzeln an den Rosmarinzweigen zu sehen, die wie weiße Fäden im klaren Wasser schwammen. Überhaupt alles schien hier nach Rosmarin zu duften. Schwer hing der Duft einer Rosmarinhecke in der Luft, deren Intensität je nach der Tageszeit variierte.



Während sie auf die neue Karte wartete, trank sie durstig aus dem farblosen bauchigen Wasserglas. Das Wasser schmeckte ebenfalls leicht nach Rosmarin. Der kleine Rosmarinstengel in der Mitte des schweren Glases, drehte sich zwischen den Eiswürfeln, als ob er tanzte. Vielleicht würde er morgen auch in einer Vase stecken und auf weiße Fäden warten, dachte Barbara.

"Mache ich mir ernsthaft Gedanken über Rosmarin? Ich bin wirklich urlaubsreif!", sagte Commissaria Barbara Barbera zu sich selbst. Sie antwortete lächelnd Giorgio, der sie fragte was sie gern essen und trinken möchte, "Einen Barbera d'Alba, per favore."

   

Und so startete sie lachend in ihren wohlverdienten Urlaub. Ihr nächster Fall würde noch zwei Wochen warten müssen. Doch da klingelte ihr Handy.

*


Die grüne Ape, ein typisches Fahrzeug in Italien, stand ganz am Rand der engen Gasse. Grade noch so, dass das Auto der Commissaria daran vorbeifahren und sie es vor der Ape parken konnte. Es roch nach dem typischen Duft enger Straßen, nach alten Häusern und dem würzigen Essen aus deren weit geöffneten Fenstern. Barbara Barbera waren diese Gerüche seit ihrer Kindheit vertraut. Und wenn sie dann noch die dazu passenden Geräusche hörte - das Bellen eines Hundes, das Knattern eines Mopeds und das Schreien der Mauersegler im Flug, dann wusste sie, sie war zu Hause, ob in der Toscana oder hier in den Marken.

Nun hatte sich ein weiteres typisches Geräusch Italiens dazugesellt. Laute Stimmen diskutierten miteinander. Zwei Nachbarinnen überschlugen sich fast beim Reden und eine dritte Person versuchte beruhigend auf die Beiden einzureden. Nur aus der Wohnung des Toten erklang ein leises Weinen.

"Commissaria Barbara Barbera", stellte sie sich vor. Die ältere Frau sah sie verwundert aus verweinten Augen an und reichte ihr stumm die Hand. "Commissaria Barbera? Sind Sie aus Alba oder aus Asti? Ich bin ganz durcheinander. Mein Name ist Anna Bianchi. Wie konnte das nur geschehen?", fragte sie kurze Zeit später mit leiser Stimme. Fassungslos hatte sie vom Tod ihres Mannes erfahren, der niedergeschlagen auf der Straße gefunden und nun auf dem Weg in die Rechtsmedizin war. "Oh, Dio mio, wer tut so etwas und warum?", fragte Signora Bianchi und sagte leise, als ob sie ihre Frage selbst beantworten würde, "Er hat doch nie jemandem etwas getan." 

"Ich werde seinen Mörder finden", versprach die Commissaria. In der Ferne hörte sie die Glocken der Kirchturmuhr. Der lange Tag ging dem Ende zu und Barbara war müde.

Am nächsten Morgen betrat sie mit einem freundlichen "Buongiorno" die Questura und setzte sich mit ihren Kollegen  zusammen. Wer hatte Federico Bianchi erschlagen? Und warum?



Mitten im Gespräch klingelte das Telefon. Anna Bianchi erzählte der Commissaria vom ständigen Streit ihres Mannes mit einem Nachbarn. Es ging um den Parkplatz vor dem Haus, auf dem die grüne Ape stand. Barbara Barbera setzte sich in ihr Auto und fuhr noch einmal in die Via Garibaldi 21.

Die Klingel an der Wohnung schepperte durch das große Haus, in dem vier Familien wohnten. Enrico Cariboni öffnete die Tür und ließ die Commissaria herein. Am Küchentisch nahmen sie Platz. Signora Cariboni füllte drei Wassergläser und ermunterte ihren Mann jetzt zu sprechen. Signor Cariboni war gestern auf dem Weg vom Einkaufen zurück nach Hause, als er seinen Nachbarn Federico Bianchi bei den Kräutergärten traf. Wie immer stritten sich die Männer um den Parkplatz, der eigentlich zu Enricos Wohnung gehörte. Da dieser aber kein Fahrzeug besaß, nutze Federico diesen für seine grüne Ape. Schließlich eskalierte der Streit und Enrico schlug zu. Die Commissaria stand auf und bat Signor Cariboni um die Tatwaffe. Enrico Cariboni blieb jedoch sitzen und seine Frau begann zu weinen. "Das geht nicht, Commissaria Barbera, die Tatwaffe haben wir aufgegessen.", flüsterte er. "Das Weißbrot unseres Bäckers ist außen immer so hart, dass man damit jemanden erschlagen könnte. Aber es schmeckt köstlich und unsere Rente ist doch so klein. Es tut mir  leid!"

Fassungslos starrte Commissaria Barbara Barbera auf das alte Ehepaar am Küchentisch. In diesem Moment klingelte ihr Telefon. Dottore Facchetti aus der Pathologie teilte in Kürze sein endgültiges Ergebnis mit. Federico Bianchi sei nicht an den Folgen seiner Kopfverletzungen verstorben. Zwar hätten ihn mehrfache Schläge schwer verletzt, doch ein  Herzinfarkt hatte letztendlich zum Tod des alten Mannes geführt. Nur über die Waffe konnte Dottore Facchetti keine Auskunft geben, die war ihm noch immer ein Rätsel.

"Dieser Fall war schneller gelöst als gedacht", berichtete die Commissaria bei einem Vino am nächsten Tag ihren Freunden in der Trattoria. Enrico Cariboni würde zumindest nicht wegen Mordes angeklagt werden. Der kalte Weißwein eines regionalen Weingutes kühlte den Gaumen der Commissaria. Dazu hatte Giorgio eine Schale mit Weißbrot auf den Tisch gestellt und ein Windlicht angezündet. "Giorgio, woher bezieht ihr eigentlich euer Weißbrot? , fragte die Commissaria gedankenversunken und nahm sich eine Scheibe.

Die kleine Katze, die bis eben noch in der warmen Abendsonne lag, gähnte, streckte sich und lief dann gemächlich die Treppe herab zur Küche.




Ende


PS: Danke für das Kaninchenohr 😊. Alle anderen Bilder sind meine eigenen Momentaufnahmen aus der italienischen Region Marken.
















Kommentare

  1. Super bekommt man richtig Hänsehaut.
    Nein Spaß. Aber liest sich sehr schön.

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