Die Tänzerin in der Mohnblume

 

"Nur noch ein paar Tage", freuten sich die grünen Farne, die vom Morgentau noch ganz feucht waren. "Pst, weckt sie nicht, sie schläft noch", bat die Nachtigall und sang im Morgenlicht leise ihre Melodie. "Wer schläft noch?", schnaufte ein Maulwurf, der sich im Blumenbeet einen Schacht aus der Tiefe nach oben gegraben hatte und nun mit zusammengekniffenen Augen von seinem Maulwurfshügel schaute. Noch war die Mohnblumenblüte im Blumenbeet eine grüne Knospe. Feine Härchen hielten die Tautropfen fest.


Wenige Tage später öffneten sich die grünen samtigen Blätter und hervor kam ein Stoff, so fein und zart. Es war das üppige blassrote Ballkleid der Tänzerin. 




Und als sich die Mohnblüte gänzlich geöffnet hatte, konnten alle die wunderschöne Tänzerin betrachten. Auf ihrem braunen Haar, das sie hochgesteckt trug, glänzte ein Krönchen. Sanft pustete der Wind im Morgenlicht zur Mohnblumenblüte und sie begann zu tanzen. Die Nachtigall sang friedlich dazu und alle Pflanzen und Tiere im Garten erfreuten sich an den sanften Bewegungen der Tänzerin in der Mohnblumenblüte. Sie tanzte den ganzen Morgen, wiegte sich im Wind. Die Tänzerin drehte sich und genoss das Staunen ringsherum. Übermütig löste sie ihr Krönchen und schüttelte das dunkelbraune Haar.  Der kleine Maulwurf stütze seinen Kopf auf die  Arme am Rand seines Sandhügels und seufzte: "Sie ist wunderschön!". Seine kleinen Knopfaugen wurden ganz groß. "Du bist  verliebt!", empörten sich die Farne. "Und wie!", seufzte der kleine Maulwurf erneut und lächelte.



Als sich am nächsten Morgen das Schauspiel wiederholte, fing es an zu regnen. Aber das machte nichts, am Kleid der Tänzerin perlten die Tropfen ab. Der Wind trocknete das wunderschöne Ballkleid der Tänzerin, die sich wieder drehte und genoss, wie die warme Luft durch ihr langes Haar streifte.

"Nicht mehr lange, dann ist die Tänzerin fort und kommt erst im nächsten Jahr zurück", erklärten die grünen Farne dem kleinen Maulwurf, der ungläubig zuhörte. "Wohin geht sie? Und warum?", fragte er. Doch die Farne wussten keine Antwort.

Und so kam es dann auch! Das Ballkleid leuchtet nicht mehr und hing schlaff herab bis es zerfiel. Ein Stückchen des blassroten Stoffes trug der kleine Maulwurf in seine unterirdischen Gänge. "Ich warte hier in diesem Garten bis sie wiederkommt" sagte er zur Nachtigall. "Aber ich bin auch bald fort, mein kleiner Freund. Vielleicht sehen wir uns alle im nächsten Jahr wieder.", sagte die Nachtigall und sang für ihn ihr schönstes Lied.



Ende

PS: Danke für die sich öffnende Knospe, die den zarten, schönen Stoff erahnen lässt, und auch Danke für das Ballkleid. Ich freue mich, dass ich eure drei Fotos verwenden darf. 









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