Eine Geschichte aus dem Stadtwald 🌳🌳



Vor über 100 Jahren standen an einem Waldrand zwei junge Linden. Sie waren anfangs noch sehr zart und klein und standen weiter als ihnen lieb war voneinander entfernt. Mit den Jahren wuchsen sie, wurden stärker und bekamen immer kräftigere Stämme. So kam es, dass sie sich nacheinander sehnten, beieinander stehen wollten. Sie streckten ihre Äste zueinander aus, jedes Jahr etwas mehr aber sie kamen sich nicht näher. Der Wind pustete kräftig und die Äste schaukelten hin und her, gar weg voneinander. Die Linden weinten und streckten sich immer wieder zueinander hin.


Die Menschen, die am Stadtrand ganz in der Nähe wohnten, hörten das Weinen und Jammern der beiden Linden. Und so ging die Geschichte der sich nacheinander sehnenden Linden von Generation zu Generation. 

Eines Abends erzählte ein Vater seinen Zwillingen diese Geschichte. Jeden Sonntag erholte sich die Familie im nahen Stadtwald. Im Frühling strichen die Kinder über das weiche Moos, im warmen Sommer suchten sie dort Schatten, im Herbst sammelten sie Pilze und im Winter erkundeten sie bei ihren Schneewanderungen das Dickicht und die Lichtungen. 

Da hatten die Zwillinge eine Idee. Am nächsten Sonntag packten sie Seile in ihre Rucksäcke und gingen zu den beiden Linden. Die Stämme der Linden waren von ihren Tränen noch nass. Vorsichtig banden die Kinder mit ihrem Vater die Seile um die Äste und verzurrten diese so, dass der Wind die Seile nicht lösen würde. Als die Familie ein paar Schritte zurückging, konnte jeder von ihnen beobachten, wie die kleinsten Äste nacheinander suchten und sich berührten. Nun konnte der Wind pusten und pusten. Es gelang ihm nicht mehr die Äste zu trennen. 

Mit den Jahren wurden die Zwillinge älter und die Äste der Linden wuchsen ineinander. Von Weitem dachte man fast, es sei eine Linde mit zwei Stämmen. Mit Stämmen, die nicht mehr nass waren, denn die Linden weinten nun nicht mehr. Sie waren glücklich!

Henriette


PS: Vielleicht findet auch ihr zwei nahe Linden in eurer Nähe.








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