Die Geschichte vom Glühwürmchen und dem kleinen Schmetterling




In einem Garten, in dem es grünte und blühte, flatterte ein Schmetterling von einer Blüte zur nächsten. Normalerweise saßen stets sehr viele Schmetterlinge auf den rosafarbenen Blütenrispen des Sommerflieders. Schmetterlinge sind Kinder der Sonne, muss man wissen. Die Sonnenstrahlen streicheln die zarten Flügel der Schmetterlinge. Wenn ein Schmetterling von einem Tautropfen nass geworden ist, trocknen ihn die warmen Sonnenstrahlen. Dann sitzen die Schmetterlinge mit ihren verschiedenfarbigen Flügeln ganz weit ausgebreitet und genießen die Wärme.

Eines Abends, im weichen Licht der Abendsonne, flatterte ein Schmetterling daher und labte sich am Nektar einer Blütenrispe. Als er satt war und sich umschaute, fiel ihm auf, dass kein weiterer Schmetterling mit ihm umherflatterte. Es schien, als wäre er ganz allein. Das machte den Schmetterling traurig. Er flog von Rispe zu Rispe, von Strauch zu Strauch - doch nirgends waren seine Freunde zu finden. Bald wurde es dunkel. Einsam saß der kleine Schmetterling schutzsuchend unter einem großen Blatt am Rand des Gartenteiches. Ihm fielen all die Geschichten ein, die ihm die anderen Schmetterlinge über die Kinder der Nacht erzählt hatten.

Als es später dunkel wurde, begann die Nacht. Ängstlich blickte sich der kleine Schmetterling um. Was würde jetzt geschehen? Er erschrak, als es hinter ihm plötzlich quakte. Jetzt kommen bestimmt die Kinder der Nacht! Aber je länger er diesem Quaken lauschte, desto mehr gefiel es ihm. Es schien, als würde das eine Quaken einem anderen antworten. Dieses Quaken kam direkt aus dem Gartenteich, über den er schon so oft geflattert war und auf dessen unzählig weißen Seerosen er sich ausgeruht hatte.

Der kleine Schmetterling schaute auf die Wasseroberfläche. Darin schwammen eine helle Scheibe und viele glänzende kleine Pünktchen. Oh je, dachte der Schmetterling, was war denn hier ins Wasser gefallen? Sind das vielleicht die Kinder der Nacht? Aber er sah auch, dass die Fische im Gartenteich ganz unbekümmert waren. Leise fragte er einen Fisch, was da im Wasser so leuchten würde. Der Fisch bat den Schmetterling  nach oben in den Himmel zu schauen. Der kleine Schmetterling staunte, als er den großen silbernen Mond und die vielen Sterne sah. So wunderschön und friedlich funkelten die Sterne am Nachthimmel. Der Mond schien alles zu beleuchten, wie der Schmetterling es von der Sonne her kannte. Nur wärmende Strahlen hatte der Mond nicht.

Plötzlich raschelte und schmatzte es ganz in der Nähe! Leise trippelte ein Igel vorbei, seine Stacheln waren deutlich zu erkennen. Ein Kind der Nacht! Aber der Igel trippelte weiter, er war hungrig und hatte keine Zeit für den kleinen Schmetterling.

Leise rief ein Käuzchen aus der Ferne. All die neuen Geräusche verwirrten den kleinen Schmetterling. Wieder blickte er sich um und sah etwas in seiner Nähe ganz hell leuchten. Bestimmt ist ein Stern vom Himmel gefallen, dachte der kleine Schmetterling. Doch das Leuchten bewegte sich. Ob das jetzt ein Kind der Nacht war? 

Das Leuchten kam immer näher.
Ein Glühwürmchen strengte sich sehr an, um ganz hell zu leuchten. Es fühlte sich einsam und war auf der Suche nach anderen Glühwürmchen. Der Schmetterling spürte, dass von dem Leuchten keine Gefahr ausging. Vorsichtig flatterte er zum Licht, vielleicht war es ja eine kleine Sonne? Doch auch hier fehlte die Wärme. Das Glühwürmchen staunte, als es den zarten Schmetterling entdeckte.

Die Beiden hatten je im Anderen einen Zuhörer gefunden. Sie erzählten sich von ihrer Suche, von ihrer Einsamkeit. Dabei rückten sie immer näher zusammen und fühlten sich wohl miteinander. Sie könnten doch Freunde sein, stellten die Beiden freudig fest, dann wären sie nicht mehr alleine. Das hörten die Sterne, der Igel, die Fische, die Frösche und das Käuzchen. Alle redeten nun durcheinander. 

Die Sterne flüsterten ein leises "Pssst " und alle hielten inne. Der helle Mond meldete sich nun zu Wort und sprach mit angenehmer Stimme. "Ich habe euch beobachtet, mein liebes Glühwürmchen und auch dich, kleiner Schmetterling. Ihr seid so verschieden - einer liebt das Licht und die Wärme und der andere den Schutz der Nacht. Unterschiedlicher geht es kaum. Aber ich habe eine Idee. Wie wäre es, kleiner Schmetterling, wenn du jeden Abend zum Gartenteich kommst? Du kannst beim Glühwürmchen sein, ihm etwas Nektar bringen und ihr verbringt den Abend miteinander. Und wenn du müde wirst, bewacht dich das Glühwürmchen, dann ist es nicht alleine. Wenn du im ersten  Morgenlicht erwachst, bist du dann nicht allein. Ihr könntet zum Frühstück gemeinsam frischen Morgentau trinken. Und wenn das Glühwürmchen dann am Abend erwacht und zu leuchten beginnt, dann bist du wieder da. Und auch wir alle sind da. Niemand muss einsam sein!"

So wurden die Beiden Freunde - ein Sonnenkind und ein Kind der Nacht. Sie erzählten sich von ihren Abenteuern, aßen zusammen, saßen beieinander und hüteten ihren Schlaf.

Und so verschwammen am Gartenteich Tag und Nacht - in den Abendstunden und am frühen Morgen. 

Ende

PS:  Danke, meine liebe Thea, für das wunderschöne Foto. 

Kommentare

  1. Niedliche Geschichte! Wenn wir doch noch Glühwürmchen sehen könnten!

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    1. Vielleicht sollten wir mal als Töchter der Nacht im Dunkeln über die Elbwiese laufen, vielleicht haben wir Glück ....

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