Die Geschichte vom Weihnachtsbaumständer Teil 4 - Weihnachten 2021

Das alte Haus, welches dieses Museum beherbergte, war früher die kleine Dorfschule. Es gab damals nur einen Lehrer, Herrn Berthold Breitbein, einen großen beleibten Mann mit breiten Hosenträgern und einem Schnauzer wie einst Kaiser Wilhelm ihn trug, daher nannten ihn alle Schüler und die Eltern  heimlich "Lehrer Wilhelm der Erste". Er unterrichtete Rechnen, Lesen und Schreiben. Mehr gab es damals nicht. Auch sein Sohn Heinrich war einst Lehrer aber inzwischen Pensionär, von schlanker Gestalt und mit noch immer ebenmäßigen Gesichtszügen. Die breiten Hosenträger seines Vaters lagen neben einem alten Schreibpult und alten Schulbüchern im Museum.

Herr Breitbein der Zweite hatte seit zwei Jahren die Idee, auf dem gepflasterten Hof des kleinen Museums einen noch kleineren Weihnachtsmarkt aufzubauen. Genau seit dem Tag, an dem Frau Breitbein von der Weihnachtsfeier des Karnevalvereins zurückkehrte und auf dem Gepäckträger unseren Weihnachtsbaumständer bei sich führte. Groß war die Freude, als Herr Breitbein diesen vorsichtig aus der bunten Holzkiste hob. Ein wunderschönes, gut erhaltenes Schmuckstück mit weihnachtlichen Motiven und der feinen Gravur eines Monogrammes. Der Weihnachtsbaumständer freute sich, als er wieder aus der Holzkiste genommen wurde und nun an als Ausstellungsstück in das Museum gehörte.

Und so kam es, dass nun endlich in diesem Jahr viele ehemalige Schüler und Schülerinnen des zweiten Herrn Breitbeins, die inzwischen selbst Großeltern waren, mithalfen, Tische, Bänke, eine Bude für das leibliche Wohl und eine kleine Bühne aufzubauen. Es wurde gesägt und gehämmert, ringsum Tannengrün befestigt und nach wenigen Stunden sah es schon sehr weihnachtlich aus.

Frau Müller-Schmidt, die Leiterin des Kindergartens, kam mit ihrem kleinen Auto angesaust und bremste  quietschend vor dem Museum. Sie wollte mit Herrn Breitbein besprechen, welche Lieder und Gedichte die Kinder singen bzw. aufsagen würden.

Überall suchte sie nach ihm. Auch Frau Breitbein, die überall Windlichter zwischen das Tannengrün stellte und Strohsterne verteilte, wusste nicht, wo ihr Mann war. Leise öffneten die beiden Frauen die Museumstür und stiegen die schmale Treppe hinauf in die obere Etage. Dort saß Herr Breitbein bei einer Tasse Glühwein und polierte in Seelenruhe unseren Weihnachtsbaumständer. Als dieser glänzte, drehte Herr Breitbein am Schlüssel und stellte ihn in die Mitte des Raumes. Während das Lied "Stille Nacht, heilige Nacht" erklang, erfüllte eine ganz besondere Stimmung das kleine Museum und die drei Erwachsenen sangen leise mit.

Als sich die Dämmerung über die kleine Stadt legte, leuchtete der Weihnachtshof, es duftete nach Tannengrün, Kaffee, Tee, Glühwein, Weihnachtsgebäck und Bratwurst mit Senf. Die Kinder aus dem Kindergarten standen auf der Bühne, ihre Eltern und Großeltern applaudierten stolz und ein Zauber von Weihnachten lag in der Luft.

In der Mitte des kleinen Weihnachtsmarktes drehte sich die weihnachtlich geschmückte Tanne und wer ganz still war, konnte die leisen Klänge des Weihnachtsliedes hören, die aus dem sich drehenden Weihnachtsbaumständer erklangen.

Nur eine ältere Dame reagierte  unvermittelt anders als die restlichen Besucher des kleinen Weihnachtsmarktes. Sie lauschte der Musik und bückte sich, um sich den Ständer genauer anzuschauen. Und dort, tatsächlich, dort war die Gravur des Monogrammes ihrer Mutti "MW". Der feinfühlige Herr Breitbein, der zufällig neben dieser Dame stand, beobachtete diese Szene und für einen Moment blieb auch für ihn die Zeit stehen, als ihm dämmerte, was grad geschah.

Herr Breitbein fühlte diesen ganz besonderen Moment, genau vor der festlich geschmückten Tanne in der Mitte des kleinen Weihnachtsmarktes, der mit all den vielen Kerzen wundervoll leuchtete. Er legte den Arm um die ältere Dame und lauschte ihrer Geschichte:

"Ich bin die Tochter von Margarete Winkelmann und dieser Weihnachtsbaumständer gehörte einst meiner Mutter. Hier kann man ihr Monogramm sehen - die verschlungenen Buchstaben MW. Als Kind habe ich die Melodie des Weihnachtsliedes aus diesem Weihnachtsbaumständer nur ein einziges Mal gehört. Meine Mutter hat uns jedes Jahr am Heiligabend die Geschichte von diesem Ständer erzählt, erst meiner Schwester und mir, und später unseren Kindern. Nun kann ich als Älteste der Familie die Geschichte zu Ende erzählen." Der Weihnachtsbaumständer hatte ihre Worte verstanden, drehte sich wie von Zauberhand und spielte noch einmal "Stille Nacht, heilige Nacht".

Der Weihnachtsbaumständer war also heimgekehrt. Inzwischen war es ganz ruhig geworden. Die Besucher standen beieinander und hatten den Worten der Frau gelauscht. So viel Leben und so viel Geschichte. Und das nur wenige Tage vor Weihnachten. Es war wohl das schönste Geschenk für alle. Herr Breitbein war sehr gerührt und versprach noch am nächsten Tag den wunderschönen Weihnachtsbaumständer gegen einen anderen auszutauschen. Dieser Heiligabend würde für die Familie der damaligen Besitzerin zu einem ganz besonderen Fest werden.

 


Ende

War es der Weihnachtsbaumständer, der jeden Heiligabend verzauberte und den Menschen ein Licht schenkte oder war es das Wunder von Weihnachten? Jeder von euch wird sich seine eigenen Gedanken machen.


Eure Henriette

 

 

 

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