"Ein kleiner grüner Kaktus" , der alte Mann und die singenden Schwalben

Es war einmal in einem Dorf .... in diesem stand ein Bauernhaus mit einer alten Scheune. Dort lebte ein alter Mann mit seinem fetten Kater. Er lebte schon lange allein und auch der fette Kater hatte sich an das Männerleben gewöhnt.


Eines Tages schlenkerte sich der alte Mann an der Haustür seine Pantoffeln von den Füßen und lief in seinen Gartenschuhen quer über den Hof zu seiner Scheune. In der Nacht hatte es ein kräftiges Gewitter gegeben. Der Garten wirkte satt und erholt, und die Luft war frisch und klar. Über dem Rasen war es jedoch dunstig - die nasse Erde und die Wärme bewirkten dieses faszinierende Naturschauspiel. Bald würde die Sonne all die Feuchtigkeit aufsaugen. Aber dann würde der alte Mann schon auf seiner Hollywoodschaukel ein kleines Schläfchen halten, mit der Zeitung auf seinem Gesicht, leise vor sich hin schnarchen und sein fetter roter Kater würde faul am Fußende liegen und ebenfalls schnarchen.

Während er auf die Scheune zulief, zog er kräftig an seinem Hosenbund, da seine Hose unter seinem kräftigen Bauch saß und bei jedem Schritt zu rutschen drohte. Quietschend öffnete er das Scheunentor und blickte in die Dunkelheit. Nur ein kleines Scheunenfenster, dass stets angekippt war, ließ etwas Licht hinein.

"Pssst, sei leise", flüsterte eine zarte Stimme. Der alte Mann schaute sich um, doch es war niemand zu sehen. "Duck dich!", hörte der Mann eine weitere Stimme und zog automatisch den Kopf ein. Wer war da und sprach mit ihm? Er kratzte sich am Kopf. Der alte Mann kratzte sich oft am Kopf - immer an derselben Stelle, wenn er verwirrt war. Seine Hand suchte den Lichtschalter und kurz darauf wurde es in der Scheune hell. Außer seiner Werkbank, dem Werkzeug und dem Oldtimer war die Scheune leer. "Nun werde ich schon bekloppt", brummelte der Mann vor sich hin. Da hörte er ein leises Kichern. Sein Blick suchte erneut die Scheune ab. Nichts! Lediglich ein Schwalbennest war über der alten Uhr neben dem Scheunentor zu sehen. Das war neu. Er wollte hineinschauen, brauchte aber einen Hocker. Mühsam schon er einen kleinen Hocker unter das Schwalbennest, doch er konnte noch immer nichts sehen. Mit einem Taschenspiegel, den er seit Jahren in seiner rechten Hosentasche trug, schaute er hinein. Plötzlich flatterten zwei Schwalben aus dem Nest. Der alte Mann erschrak. Im Sturzflug verließen sie die Scheune durch das angekippte Fenster. Mit Hilfe des runden Taschenspiegels entdeckte er im Nest fünf nackte  Schwalbenkinder zwischen den Eierschalen. Ihre Augen waren noch geschlossen und sie lagen ganz still. 




Er stieg vom Hocker, kratzte sich wieder am Kopf und als er die Scheune verließ, warf er noch einmal einen Blick auf das Nest und einen letzten auf den gepflegten hellblauen Oldtimer, den er so liebte.

Pfeifend schlurfte der alte Mann wieder quer über den Hof und legte sich in den Schatten. Er pfiff oft und gerne, und meistens dieselbe Melodie vom kleinen grünen Kaktus 🌵,  die genauso alt war, wie sein hellblauer Oldtimer.

Seine Scheune betrat er ein paar Tage lang nicht mehr, weil ihn eine Nierenkolik an sein Bett gefesselt hatte. Als es ihm nach ein paar Tagen und gefühlten fünfzig Kannen Tee wieder besser ging, tauschte er wie sonst täglich seine Pantoffeln gegen die Gartenschuhe und schlurfte über den Hof. Während er seinen Hosenbund hoch zog, hörte er die ihm bekannte Melodie vom kleinen grünen Kaktus 🌵. Hatte er etwa vor ein paar Tagen das Radio angelassen? Je näher er zur Scheune kam, desto lauter wurde das Pfeifen. Dann sang jemand dazu den Text "Mein kleiner grüner Kaktus...." und mehrere Stimmen sangen daraufhin "Hollari, hollari, hollaro". Dem Mann fielen wieder die Stimmen ein.

Vorsichtig und ganz leise öffnete er die Scheunentür und knipste das Licht an. Wieder war außer den beiden Schwalben auf dem Rand des Nestes niemand zu sehen und auch das Radio war aus. Er sah erst zum Schwalbennest und dann zu seinem Oldtimer. Da hörte er ein einzelnes verspätetes "..... hollari, hollari, hollaro". Der Mann drehte sich langsam um und sah zurück zum Schwalbennest. "Los, weg!" rief die eine Stimme und "Was wird aus den Kindern?" die andere. Und ratzfatz waren die beiden Schwalben wieder durch das angekippte Fenster ins Freie geflogen. Der alte Mann kratzte sich am Kopf, zog wieder den Hocker unter das Nest, den Taschenspiegel aus der rechten Hosentasche und stieg hinauf. "Duckt euch, Jungs", hörte er ein Flüstern und dann sah er die fünf Schwalbenkinder, die ihn ängstlich anschauten. Er lächelte und schob Spiegel und Hocker an ihre Orte zurück.





Vorsichtig setzte er sich in das alte Auto und pfiff die bekannte Melodie vom kleinen, grünen Kaktus 🌵. Und sofort sangen die fünf zarten Stimmchen aus dem Schwalbennest textsicher mit.

So verging Tag um Tag und auch wurden die Schwalbeneltern immer zutraulicher. Manchmal, wenn der alte Mann in die Scheune kam, saßen die Schwalbeneltern auf der Werkbank, ein paar Schwalbenkinder eng beieinander auf einer runden Lampe oder die Mutigeren auf dem angekippten Fenster.



An anderen Tagen saßen sie auf den Seitenspiegeln des Oldtimers und neuerdings alle nebeneinander auf der Motorhaube. Und immer pfiffen oder sangen sie das Lieblingslied des alten Mannes. Zu gern hätte er jemandem davon erzählt. Aber wer hätte ihm das geglaubt? Und um nicht als senil abgestempelt zu werden, behielt der alte Mann diese wunderbare Begebenheit für sich. Einzig die Spuren 💩, die die Schwalben überall hinterließen, die musste er jeden Tag abwischen.

Bald war die Zeit gekommen war, in der sich die Schwalben sammeln, um gemeinsam in den Süden zu fliegen. Inzwischen gab es täglich es ein kleines Scheunenkonzert. Dabei quetschten sich die nun fünf großen Schwalbenkinder auf der Lampe über der Werkstatt aneinander, pfiffen und trällerten gemeinsam mit ihren Eltern und dem alten Mann das Lied vom kleinen grünen Kaktus 🌵.

Als es Abschied nehmen hieß, versprachen die Schwalben im nächsten Frühling wiederzukommen. Darüber freute sich der alte Mann sehr. Und fast zeitgleich bat ihn eine Nachbarin darum, doch sein Radio künftig leiser zu stellen .... 😄. 

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