Sonntagmorgen im Sommer



Wer kennt ihn nicht, diesen Sonntagmorgen, wenn es trotz des offenen Fensters warm im Schlafzimmer ist und wenn das zarte Singen der Nachtigall, das Gezwitscher der Amseln und später das neckische Gezanke der Spatzen einen nicht mehr einschlafen lässt.

Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob wochentags der Wecker unbarmherzig am frühen Morgen klingelt, bis man ihn mit noch geschlossenen Augen findet und ausdrückt, oder ob man an einem Sonntagmorgen im Sommer zur gleichen Zeit von alleine erwacht. Es ist die innere Freude auf den freien Tag, auf das ausgiebige Frühstück und die Ruhe, auf einen geplanten Ausflug oder das Genießen, einmal nichts zu tun.

An diesem Sonntagmorgen meinen es die Amseln besonders gut mit ihrem Gezwitscher und ich merke, dass ich nicht zurückfinde in den Schlaf. Ich greife zu meinem Krimi, drücke auf die Taste am Kaffeeautomaten und schleiche mich leise mit meiner duftenden Kaffeetasse aus dem Haus. Fast wäre mir vor dem alten Schuppen eine Schwalbe ins Gesicht geflogen, auf ihrem Sturzflug durch die Tür zurück zum Nest über der Werkstatt, wo vier kleine Schwalbenkinder hungrig und ungeduldig mit offenen Schnäbeln auf ihr Frühstück warten.

Wer einen Garten hat, der kennt diese Stelle, in der es am Morgen besonders schön ist zu sitzen. Vermutlich steht ein Liegestuhl dort oder eine Gartenbank mit weichen Kissen. Eine grüne Hecke oder ein paar Büsche geben das Gefühl von Schutz und bestimmt steht ein Baum ganz in der Nähe.

Ich habe auch einen solchen Platz, an dem ich morgens zeitig gern für einen Moment verweile und meinen ersten Kaffee trinke. Leise schwingt ein Windspiel an einem Ast über mir. Die ersten Sonnenstrahlen sind bereits warm und kitzeln meine Nase. Ich lächle, es ist die Zeit der Sommersprossen in meinem Gesicht, die mein Opa gern besungen hat, als ich noch ein Kind war.



Mein Buch liegt noch auf meinem Schoss und der Duft der vielen Rosen hat den Kaffeeduft meiner leeren Tasse verdrängt. Manche Rosen duften schwerer, meist sind es die älteren Sorten, manche Rosen duften zart. Oft verbindet man den Duft einer Rose mit einer schönen Erinnerung. Vielleicht an den Garten der Großeltern, an eine Urlaubsreise oder an den schönen Strauß eines besonderen Menschen. Rosen haben eine unsichtbare Magie, sie bezaubern als Knospen, wenn sie noch geheim halten, in welcher Farbe sie blühen werden, sie bestechen als halb verschlossene Blüte und auch, wenn sie in ihrer ganzen Pracht leuchten. Aber, auch das ist etwas Besonderes, Rosen lassen sich trocknen; ein besonderer Strauß erzählt dann seine Geschichte noch viele Jahre und versetzt den Besitzer täglich zurück an jenen besonderen Moment.


Zwei Gärten weiter quaken unzählige Frösche, das Grundstück ist verwildert und das Haus unbewohnt. Das mag ich sehr, und obwohl vor Jahren das alte Ehepaar in ein nahes Pflegeheim gezogen ist und sich niemand um den Garten kümmert, blühen dort die schönsten Rosen. Anscheinend wissen auch die vielen Frösche um den Zauber des sich selbst überlassenen Gartens und fühlen sich am Teich dort pudelwohl.

Ich spüre etwas Weiches an meinem Knöchel, es ist Leo, der Kater unserer Nachbarn. Er sieht aus wie ein rotbrauner Wattebausch auf vier Pfoten, kommt leise schnurrend näher und lässt sich für einen Moment streicheln. Leo ist schon etwas betagt und kurze Zeit später legt er sich auf das Kissen neben mir und beobachtet mich träge von der Seite. Ich schaue auf die Uhr, verkneife mir das Lachen und zähle rückwärts. Fünf, vier, drei, zwei, eins und schwupps, auf die Sekunde genau geht der Rasensprenger an. Leo springt erschrocken auf und stromert ein bisschen beleidigt davon.




Ich genieße den Morgen und das weiche, besondere Licht, beobachte Insekten und das Eichhörnchen Charly, das regelmäßig am Schuppen aus einem Netz die Nüsse vom letzten Herbst stibitzt. Ich freue mich über den Morgentau auf den Blättern und über die vielen zarten Knospen im Staudenbeet. Eine blauschillernde Libelle landet auf meinem Knie und macht eine Pause - bis eine schwerfällige Taube auf einem dünnen Ast über mir landet und es einen Moment dauert, bis wieder Ruhe einkehrt und sie über mir friedlich zu gurren beginnt. 

Aus dem Küchenfenster unserer Nachbarin, Frau Trautzsch, klappert das Frühstücksgeschirr. Bald wird in einem der Gärten ringsum ein Rasenmäher anspringen, dem dann weitere Rasenmäher in anderen Gärten folgen. Manchmal tönt es wie das Brummen einer Weltmeisterschaft im Rasenmähen, denke ich schmunzelnd. Da fällt mir ein, dass heute Sonntag ist. Auf dem Weg zurück zum Haus komme ich an dem großen Jasminbusch vorbei, dessen weiße Blüten herrlich nach Sommer duften, und ich finde eine kleine weiße Feder auf dem Rasen, zu der ich mich bücke und sie aufhebe. Wie fein und zart sie ist, denke ich nachdenklich, schaue hinauf in den blauen Himmel zu dem Flugzeug über mir, lächle und freue mich auf meine zweite Tasse Kaffee. Unter meinem Fuß knackt es, ich bin auf eine Walnuss getreten, die Charly vorhin auf seinem Beutezug wohl verloren hat 🌿





PS: Zur Erinnerung an Leo 🐈



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