Eine kleine Dickmamsell



Gabi streifte sich im Flur die Schuhe von den Füßen und schlurfte barfuß in ihr Wohnzimmer. Es war schon spät, fast Mitternacht. Sie hatte das Gefühl, ihre Füße würden sogleich wie zwei Hefeklöße anschwellen. Fast versank sie in der Mitte ihres weichen Sofas, einem Geschenk einer alten Dame, die behauptet hatte, dieses Sofa wäre genauso alt wie sie selbst. Die alte Dame zählte zu Gabis Lieblingsgästen im Restaurant. Gabi gehörte das Restaurant zwar nicht, aber Herr Kümmler, der Besitzer des Restaurants und den alle nur "Kümmel" nannten, wäre ohne Gabi aufgeschmissen. Gabi war seine Köchin und die Herrscherin über Kümmels Töpfe und Pfannen in seiner sehr gut ausgestatteten Restaurantküche.


Schon als Kind war Gabi runder, als andere Mädchen in ihrem Alter, müsst Ihr wissen. Und da sie nicht sehr groß war, sagte die Oma stets liebevoll zu ihr "... meine kleine Dickmamsell", lachte dabei und drückte ihre wunderbare Enkelin an sich. Gabi hatte ein sonniges Gemüt, Sommersprossen und rote Bäckchen - Sommer wie Winter. Und zu jedem Geburtstag hatte sie so viele Pfannkuchen bekommen, wie die Zahl der Kerzen auf ihrem Geburtstagstisch. Irgendwann, im zweistelligen Bereich, hatte sie die vielen Pfannkuchen aufgegeben, als sie am Abend davon Bauchweh bekam.

Wenn Gabi lachte, und Gabi lachte oft, dann lachte sie herzlich und laut. Ihr Lachen war so ansteckend, dass sich jeder in Gabis Nähe wohlfühlte. Auch Kümmel kam gern in die Küche zu Gabi, was der dürren Frau Kümmler überhaupt nicht gefiel. Die lachte nämlich selten und konnte so gar nicht verstehen, was ihr Gatte an dieser Person fand. Aber auch darüber lachte Gabi, die mit einer kleinen Pipette ab und an drei Tropfen Rhizinusöl auf Frau Kümmlers Mittagessen tröpfelte.

An diesem Abend war es spät geworden, die letzten Gäste wollten nicht eher gehen, bis sie das Rezept von Gabis himmlischem Dessert bekommen würden. Aber das Rezept blieb ihr Geheimnis. Diese Dessertcreme war die hohe Kunst der Frauen in Gabis Familie. Sie hatte es von ihrer Mama und die wiederum von ihrer Mutti, Gabis Oma. Lediglich zwei Dinge hatte Gabi an diesem Rezept verändert: das Dessert trug jetzt den Namen "Eine kleine Dickmamsell"  und Frau Kümmler bekam stets drei Extratropfen auf das kleine Baiserkrönchen ihrer Dessertcreme ......

Ende


PS: Wenn ihr mich nicht bei Gabi verpetzt 😄😉, verrate ich euch das Rezept für die leckere Dessertcreme 🍃:

* 1 Päckchen Vanillepuddingpulver mit 500 ml Milch und 2 EL Zucker wie üblich aufkochen

* abkühlen lassen und das Mark einer  Vanilleschote hinzufügen

*  den Pudding mit 500 g Quark pur,

* 4 EL Sahne,

* 1 EL Honig,

* 1 TL geriebene Orangenschale und

* 1 Päckchen Vanillezucker langsam verrühren.

Die Creme kalt stellen, einen Espresso trinken und an etwas Schönes denken.

Vor dem Servieren die Creme mit einem  Blatt frischer Melisse 🍃 und einem weißen Dresdner Baiserkrönchen verzieren.





Viel Gaumenfreude beim Schlemmern. 









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