Eine Geschichte über uns, unser Verhalten und über diese Zeit, die in die Geschichte eingehen wird ....



Manchmal fällt es mir schwer für meine Geschichten die richtigen Überschriften zu finden. Sie sollten nach Möglichkeit Interesse und Neugier wecken, Vorfreude auf die Geschichte an sich machen und trotzdem kurz und knapp sein. Meistens schreibe ich zuerst die Geschichte und knabbere dann im Nachhinein für die Überschrift an meinem imaginären Bleistift.


Doch heute fiel mir die Überschrift zuerst ein, noch vor den Zeilen, die zum Teil Geschichte, zum Teil Gedanken und die daraus entstehenden Fragen sind. Diese Geschichte dreht sich, auch ich komme an diesem Thema nicht vorbei, um unser Zusammenleben mit Corona und deren vielen Tentakeln.

Obwohl ich im April meine so sehr ersehnte Reise in die Toskana nicht antreten und nur einen fiktiven Reisebericht über diese Reise schreiben konnte, den ihr vielleicht gelesen habt, und bei dem ich das Thema Toilettenpapier noch auf die Schippe genommen habe, so kommt es mir nun vor, als erlebe ich ein Dejavue.

Ich musste weinen, als ich die ersten Bilder aus Italien gesehen habe, Bergamo der Inbegriff des Sterbens an bzw. durch Corona. Jeden Tag habe ich gehofft, die rote Zone, die Sperrzone wird nicht die Toskana, mein geliebtes Montepulciano, erreichen. Und weinige Wochen später war nicht nur mein Traum geplatzt - sondern die ganze Welt war Sperrzone, dunkelstes Rot.

Die Leser von euch, die die DDR noch erlebt haben, wissen um das bedrückende Gefühl von Grenzen, so wie wir sie im Frühjahr diesen Jahres nun alle hatten - jedes Land, jede Nation. Und wie wunderbar es sich angefühlt hat, als der Lockdown überall beendet wurde und wir uns wieder bewegen durften.

Inzwischen gibt es verschiedene Schubladen, in die wir Menschen uns bei diesem Thema selbst zu stecken scheinen. Es gibt die Verschwörungstheoretiker, die alles Anzweifelnden, die Ängstlichen, die Risikogruppen, die Traurigen, die Nachdenklichen, die Kranken, die Jugendlichen und die Älteren - jede Schublade ist gefüllt und es werden sich sicher noch weitere Schubladen öffnen.

So wie viele andere Menschen, die mir etwas bedeuten, nah und fern, habe auch ich Pläne für das nächste Jahr. Manche kann ich nochmals um ein Jahr verschieben, manche kann ich kaum erwarten. Was wird uns das nächste Jahr bringen? Einen Impfstoff, der zu 100 Prozent sicher ist und ohne Nebenwirkungen? Wieder Grenzen? Oder können wir aufatmen? Wie denken die Menschen, deren Alter auf einem Zollstock gemessen, nur noch wenige Zentimeter haben; überwiegt deren Furcht zu erkranken oder fehlt ihnen ein Zentimeter ihres Lebens?

Ich arbeite mit Kindern, wird Corona ihr Leben einschränken oder werden wir es schaffen, mit diesem Virus zu leben? Wird ihre Kindheit unbeschwert sein oder ein Mundschutz immer in greifbarer Nähe liegen müssen? Bis zum nächsten Virus? Es gibt kein Rezept, keinen Ratgeber für diese unruhige Zeit.

Aber es gibt sie wieder, die Menschen aus der Schublade "Hamstern". Noch am Freitag, im Drogeriemarkt, musste ich lächeln, fast schon grinsen, als ich die erste Dame sah - das Paket Toilettenpapier war grösser als ihr Rollator. Und prompt heute, natürlich war ich von der Neugier geplagt, weil die Politiker und die Medien sich mit diesem Thema am Wochenende nicht zurückhalten konnten, bin ich in den Drogeriemarkt gefahren und was erblickte ich? Gähnende Leere im Regal, in dem sich sonst Toilettenpapier stapelt. Es gab noch ca. sechs Pakete sehr edlem Papiers und zwei Pakete des normalem Toilettenpapiers. Und wisst ihr was? Ich habe diese zwei Pakete in meinen Korb gelegt und bin mit rotem Kopf an die Kasse gefahren. Was bin ich jetzt? In welche Schublade gehöre ich? Hüpfe ich zwischen den Schubladen "Nachdenklich" und "Traurig" hin und her? Oder bin ich gar zu einem Hamster mutiert?

Jegliche Vorstellung, wie dieses Jahr enden wird, welche Träume und Ängste ich mit meiner einen obligatorischen Silvesterrakete in den Himmel schicken werde, ist möglich. Ein stiller Advent ohne Weihnachtsmarkt und ohne den Glühweinabend mit Freunden, ein Weihnachsfest ohne Familie und Freunde. Ich möchte so gern voller Zuversicht in die nächsten Monate blicken und ich freue mich auf die Weihnachtsfeier mit meinen Kollegen in dem kleinen Theater in der Altstadt, welches zum Glück nach der ersten Coronakrise wieder öffnen konnte, und auf einen Glühwein vorher auf dem Weihnachtsmarkt, am selben Stand wie jedes Jahr.

Ich dachte, ich könnte eine kleine Spritze Satire oder Humor in diese Gedankengeschichte einbauen, um uns alle etwas schmunzeln zu lassen, aber es wäre wohl unpassend; ich sah auch keine Stelle, etwas derartiges einzubauen.

Und so bleibt mir nur noch eines - kein: Passt auf euch auf oder so. Das wurde zu oft gesagt, es klingt nicht mehr so besorgt und liebevoll wie einst. Nein, ich möchte euch ein bisschen von dem nehmen, was uns ängstigt, wütend oder traurig macht. Uns aufzeigen, dass wir alle Pläne und Träume haben, die es wert sind, zu warten und sie sorgsam aufzubewahren - in der Lieblingsschublade. Und ja, jetzt habe ich meine Schublade gefunden, hier gehöre ich hinein, in meine Lieblingsschublade "Träume bewahren", damit die Träume wahr werden können ...... 

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