Vom Erwachen und vom Weiterträumen .....



Instinktiv wusste ich, dass es ein Traum war - denn ich konnte fliegen. In meinen Träumen kann ich nämlich Flugzeuge fliegen und sie sogar sicher landen, da kann ich lustigerweise selber fliegen, verlaufe mich nie, spreche fast alle Sprachen und fühle mich nie klein. Ich will nicht sagen, ich wäre in meinen Träumen ein weiblicher James Bond - aber ein bisschen vielleicht schon. Wie gesagt, nur in meinen Träumen.


Ich flog also anstatt mit dem Flugzeug nun selbst und staunte zuerst über das leere Rollfeld, über den menschenleeren Flughafen in Florenz und über diese wunderbare Stadt, in der das Leben momentan stillzustehen schien. Träge floß das Wasser des Arno im sanften Abendlicht an mir vorbei und an den Brücken, wie auf der Ponte Vecchio, wo sich sonst Menschen jeden Alters tummelten und ihre Stimmen fremdländisch, aus den vielen Nationen erklangen, war es still.


Ich flog weiter nach Siena, mitten hinein in die faszinierende alte Stadt. Schon von weitem sah ich den bekanntesten Turm Sienas, den Torre del Mangia, der sinnbildlich für diese schöne Stadt ist. Auf der Piazza del Campo, dem bedeutendsten Platz im Herzen Sienas, war es ebenfalls menschenleer. Die vielen Restaurants und Geschäfte waren geschlossen. Der schmale Balkon, auf dem ich im letzten Sommer ein Glas Rotwein getrunken hatte, wirkte in meinem Traum noch schmaler. Einzig die Spuren, denen ich in Siena gefolgt war, sie waren selbst in meinem Traum noch deutlich zu sehen.


So flog ich erwartungsvoll nach Pienza, in das für mich wohl wundervollste kleine Städtchen der Toskana. Mich ergriff wieder dieses warme Gefühl beim Blick über die Stadtmauer in die Weite des wunderschönen Val d‘Orcia. Auch hier spürte ich eine bedrückende Stille. Was war nur geschehen?


In Montepulciano ging ich durch einen Torbogen nahe eines bekannten Palazzo. Hier stand ich vor längerer Zeit schon einmal und hatte vor, in wenigen Tagen wieder hier zu sein - in dieser wunderschönen Stadt, inmitten der einzigartigen Natur der Toskana, mit ihren kleinen Restaurants, den alten Häusern und Kirchen, den sonst vom Lachen der Menschen gefüllten Enotecen, in denen die Besucher vom Geschmack verschiedener Rotweine verführt werden - auch hier war es still und menschenleer. Alles war verschlossen.


Es war eine Stille, die durch all die schönen Städte der Toskana zog, wie ich sie so dort nicht kannte. Stille kann gut tun, kann uns zur Ruhe bringen,  kann uns tragen - so auch in der Toskana. Aber selbst nachts nimmt man hier die kleinen, feinen und leisen  Geräusche in der Stille wahr. Irgendwo bellt immer ein Hund, lacht ein Kind, flüstert ein verliebtes Paar, hört man Zikaden zirpen, die Glocken einer Kirche oder das Plätschern eines Brunnens. Ganz still ist es nie in der Toskana.....


So gern wollte ich diese Geräusche wieder hören, ein Teil davon sein. Ich wollte neue Worte lernen und mir eine Kindertagesstätte anschauen, weil mich interessiert, wie der Alltag dort gestaltet wird, vor allem in den heißen Sommermonaten. Ich wollte wieder den Duft der Toskana riechen, einen Vino Nobile di Montepulciano genießen und all das Wunderbare erleben, worauf ich mich so gefreut hatte.....


Doch dann erwachte ich, konnte nicht mehr fliegen und erkannte was anders war, warum überall diese unheimliche Stille herrschte. Es war dieselbe Stille, wie sie momentan durch alle Städte zieht - überall dort auf der Welt, wo die Menschen ihr momentanes Leben stark einschränken, zu Hause bleiben müssen, wo das Wort Corona über ALLEM steht. Die aktuellen Bilder und Berichte aus Italien, dem Land, das ich kennen- und liebengelernt habe, berühren mich zutiefst und machen mich betroffen .....

Es wird auch wieder eine Zeit nach oder wahrscheinlich eher mit
dem Coronavirus geben. Die Menschheit kann die Natur wohl zerstören aber wird sie nicht beherrschen können. Das Virus zeigt uns allen deutlich, wie schnell etwas Neues das alltägliche und bequeme Leben der Menschen zum Stillstand bringen, sogar Leben beenden, Träume platzen lassen und Existenzen bedrohen kann. Hoffen wir, dass die Vertreter aus Politik und Wirtschaft daraus lernen. Hoffen wir wieder auf Lachen und darauf, dass sich Träume erfüllen......

Passt auf euch auf und bleibt gesund,

eure Henriette ♡






Kommentare