Jane's Ausritt im Morgennebel




Tagelang hatte es geregnet, im Büro quoll das Posteingangsfach über und zusätzlich war Jane durch eine Erkältung davon abgehalten worden, einen Ausritt auf Victory durch die Natur zu machen. Sie hatte in den Mittagspausen dabei zugesehen, wie sich die Regentropfen am Bürofenster ihren Weg suchten, hinabrollten und sie hatte tapfer ihre Medikamente geschluckt.

Heute jedoch war Sonntag. Der Tag war frei, unverplant und Jane fühlte sich wieder gesund. Gesund genug, um zu Hause im Stall, nach Victory zu schauen. Sie schlüpfte unter der Bettdecke hervor, schlich leise ins Bad und stellte sich unter die heiße Dusche. Der Spiegel war genauso beschlagen, als sie anschließend hineinschauen wollte, wie das große Badfenster. Sie wischte den Spiegel trocken, bürstete ihr langes schwarzes Haar und zog sich rasch an. Als Jane die Haustür öffnete, stellte sie fest, dass das Badfenster nicht von der heißen Dusche beschlagen war, sondern das Nebel die Sicht auf den Garten verhindert hatte. Leise zog sie die Tür hinter sich in das Schloss, damit ihr Mann und ihr Sohn nicht erwachen würden. Sie ging zügig zum Stall und hörte Victory schon an der Stalltür schnauben. Die Beiden waren seit zwei Jahren ein eingespieltes Team. Jane's Mann lachte manchmal und meinte, er könne nicht sagen, wer die schwärzere Mähne hätte - seine Frau oder ihr Pferd.

Sie sattelte Victory, streichelte ihr sanft die Stirn bis zu den Nüstern, zog den Reißverschluss ihrer Jacke höher und verließ mit ihrem Pferd den Stall. Da es erst früher Morgen war und der Tag noch schlief, war es ganz still. Durch den Nebel hallte nur das Geräusch der Pferdehufe auf den Feldsteinen des Weges, der vom Hof bis vor das Haus führte. Jane legte ihren Kopf an die weiche Stirn des Pferdes, flüsterte Victory ein paar Worte zu und schwang sich dann auf den Sattel. Langsam ritten sie das kurze Stück über die Wiese und weiter den schmalen Weg entlang der Büsche.




Der Nebel war jetzt nicht mehr so dicht und Victory entspannte sich immer mehr, denn die Stute und ihre Reiterin kannten sich gut genug und sie spürten die Stärken und das Vertrauen des Anderen. Jane liebte diese Momente. Der Tag war noch still und der Nebel, der über den Elbwiesen stand, umhüllte auf wunderbare Weise die alten Kopfweiden und die dichten Büsche. Die Elbe war durch den Nebel nicht zu erkennen - nur ihr typischer Geruch und das Geräusch der Wellen verriet ihre Gegenwart. Die junge Frau liebte diese Momente und in Kürze würde der Morgennebel den wunderschönen Blick über die Elbaue freigeben.

So ritten die Beiden erst langsam und bedacht. Die aufgehende Sonne durchbrach vorsichtig den Nebel und die bizarren Umrisse der Weiden und der anderen Bäume nahmen Gestalt an. Die hohen Gräser waren noch nass vom Nebel. Sie kitzelten Victory am Bauch und befeuchteten die Reiterstiefel der jungen Frau. Langsam zog sich der Nebel zurück und Jane staunte, wie bei jedem Ausritt, wie schön die Elbaue war.




Sie ritten bis zur Badestelle am nördlichen Ufer der Elbe. Dort scheuchten sie ein paar aufgeregte Gänse auf, die sich daraufhin schnatternd und zeternd in die Luft erhoben und davonflogen.




Jane hielt ihr Gesicht in die Morgensonne. Die Geräusche, die der Nebel vorhin verschluckt hatte, waren nun deutlich zu hören. Ein Kuckuck rief und das Geschnatter der Gänse in der Ferne wurde nun leiser. Es wurde auch langsam Zeit nach Hause zurückzukehren. Da die Sicht nun gut war, ritt Jane auf Victory jetzt schneller.




Vorbei an einem Wassergraben, dessen Ufer von sattem Grün bewachsen war, vorbei an Janes Lieblingsbaum, der von Efeuranken umschlungen war, bis hoch zum Feldweg, der Victory und Jane nach Hause führen würde.