Henriettes Rosenliebe





Das erste Mal, dass sie bewusst etwas fühlte, war an einem Sonntagmorgen. Es war noch still und alles fühlte sich anders an, neu. Die Dunkelheit um sie herum begann sich aufzulösen und Licht drang an die kleine, zarte Rosenknospe. Die dicken, grünen Außenblätter der Knospe schickten die kleine Rosenknospe hinaus ins Leben.




Als sich die kleine Rosenknospe im hauchzarten Rosa dem warmen, sanften Sonnenlicht entgegenstreckte, vernahm sie Geräusche, denen sie vergnügt lauschte. Vögel zwitscherten, Bienen summten um sie herum und in der Ferne hörte sie einen Hund bellen.




Die kleine Rosenknospe war sehr neugierig und konnte nicht genug bekommen, von all dem Schönen und Neuen, dass sie um sich herum entdeckte. Am Abend änderte sich das Licht und der Garten wirkte ganz anders in der Abendsonne - sanfter, leiser, friedlicher. Später lauschte sie dem Quaken der Frösche am Gartenteich. Auch dort sah sie Rosen. Aber diese schwammen in verschiedenen Farben auf der Wasseroberfläche und schlossen am Abend ihre Rosenblätter.




Am nächsten Morgen fühlte die kleine Rosenknospe etwas Neues. Feine Regentropfen fielen auf sie hinab und erfrischten sie. Gierig öffnete sie sich immer weiter und entfaltete sich immer mehr. Sie war wunderschön. Als sie sich umsah, entdeckte sie viele andere Rosenblüten zwischen den dunkelgrünen Blättern. Sie war nicht allein.




Sie spürte, dass sie keine kleine Rosenknospe mehr war, sondern eine wunderschöne Rosenblüte. Noch immer im zarten Rosa. Sie genoss das Leben um sich herum, begann zu duften und erfreute sich an all dem Wunderbaren, dass sie umfing. Tage später hatten sich alle ihre Rosenblätter entfaltet und vorsichtig öffnete sie sich nun ganz. Ihr zartes Innerstes war nicht mehr verhüllt und wurde vom Licht erhellt.




Ein Summen in ihrer Nähe wurde immer intensiver. Eine Biene, die sich auf ihren Rosenblättern niederließ, begann vorsichtig ihren Blütenstaub aufzunehmen. Die Rose fragte die Biene, ob sie ihr gut tun würde. Die Biene bejahte und erzählte von sich, von ihrem Leben und den Schönheiten des Gartens. Verträumt hörte die Rose zu und stellte sich all die Wunder der Natur vor. Von nun an kam die Biene täglich zu ihr.




Als die Rose blasser wurde und an Kraft verlor, sah sie sich wieder um und konnte erkennen, dass es den Rosen ringsum genauso erging. Mit jedem Windhauch verlor sie einige ihrer zarten Rosenblätter. Sie wurde müde. Bevor sie ihre letzten Blätter verlor, entdeckte sie ganz nah bei sich zwei neue Rosenknospen, die aus ihrem Zweig entsprangen. Sie waren noch eingehüllt von ihren dicken, grünen Außenblättern und würden bald dasselbe Wunder erleben, wie sie es erlebt hatte ..... 




Kommentare

  1. Wer, außer einer Rose, könnte so schön das Werden einer Rose beschreiben?

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