Abschied von einer alten Dame


Teil 2:

Diesmal ist es die Enkeltochter, die zurückgekehrt ist. Zurück an den Ort, den sie mit ihrer Großmutter im letzten Jahr besucht hatte. Aber sie ist heute allein gekommen. Obwohl sich seit ein paar Tagen die Sonne gegen das Grau durchsetzen kann, zieht sie den Gürtel ihrer Wolljacke enger. Doch es ist eine innere Kälte, die sie frieren lässt. Die tiefe Bindung, die die beiden Frauen verbunden hat, macht den Abschied schwer.





Sie ist noch einmal an den verlassenen Gebäuden vorbeigegangen, die vor über 80 Jahren für ein paar Monate das Zuhause ihrer Großmutter waren und an die die Großmutter viele Erinnerungen hatte, schöne und weniger schöne. Sie erinnert sich daran, wie sie mit der Großmutter durch den verwilderten Garten gegangen ist, vorbei an den verfallenen Gebäuden. Sie hört wieder die Stimme der Großmutter, die ihr aus dieser Zeit erzählte und der danach ein anderes Leben folgte.









Dann steht sie am Strand und schaut hinaus auf die Ostsee. Der Wind spielt mit ihrem langen roten Haar, doch sie spürt ihn nicht. Tränen hängen an den Wimpern über und unter ihren grünen Augen. Doch auch diese spürt sie nicht. Ihre Tränen schmecken ebenso salzig wie die Spritzer der Ostsee auf ihren Lippen.  Die Ähnlichkeit mit ihrer Großmutter ist sehr groß. Das lange rote Haar hatte diese immer zu einem Dutt aufgesteckt. Und wenn sie Geschichten aus ihrem langen Leben erzählte, dann funkelten die ebenfalls grünen Augen in ihrem faltigen aber liebevollen Gesicht.





Sie steht genau an der Stelle des Strandes, an der sie mit ihrer Großmutter gestanden hatte, nachdem die Beiden vom Spaziergang zu den alten, verfallenen Gebäuden des ehemaligen Kinderheimes zurück waren. Sie erinnert sich genau, wie wichtig die Fahrt in diese kleine Stadt an der Ostsee für die Großmutter war. Als die Sonne hinter einer großen dunklen Wolke verschwindet, zieht ein kräftiger Wind auf. Die Ostsee wirkt in diesem Moment dunkel und die Wellen schlagen unruhiger an den Strand als zuvor.





Da spürt die junge Frau die Kälte nun auch von außen. Ihr fällt das kleine Cafe ein, in dem sie mit der Großmutter gesessen hatte, bevor sie an jenem Tag wieder nach Hause fuhren. Sie findet in dem kleinen Cafe einen Tisch am Fenster. Von dort aus kann sie die Ostsee auch sehen und ebenfalls den Tisch, an dem die zwei Frauen letztes Jahr gesessen hatten. Heute ist der Tisch besetzt.





Sie bestellt eine Tasse Kaffee für sich. Und während sie später mit einem Löffel Milch und Kaffee verrührt, lächelt sie, obwohl noch eine letzte Träne über ihre linke Wange rollt. Es entstehen beim Rühren kleine Bläschen, die ihre Großmutter immer liebevoll Kaffeeküßchen genannt hatte. Nun fühlt sie den Abschied und kann endlich loslassen ....


Zur liebevollen Erinnerung, da der Abschied nun für immer ist. Du wirst immer in meinem Herzen sein ... 29.03.2019 

Kommentare

  1. Immer, wenn man an einen Ort zurück kehrt, einen Ort wie diesen, ist der geliebte Mensch dabei. Tief im Herzen.
    " Wirklich tot sind nur die, die vergessen werden".
    Ich bezweifle das du sie je vergisst, darum wird sie nie ganz von dir gehen.😔

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