Tanz der Schneeflocken über der Stadt





An einem kalten Samstagmorgen strahlt die Wintersonne über der Kleinstadt. Der Himmel ist so blau, dass der alte Mann, der mit seiner kleinen Enkelin und seinem Hund spazieren geht, stehen bleibt und hinauf in den Himmel schaut. Die Kleine schaut ebenfalls in den Himmel und dann zu ihrem Opa. Dieser blickt einen Augenblick später zu ihr hinab und erklärt ihr, dass Himmelblau das schönste Blau ist.

Helene, die ebenfalls unterwegs ist, bleibt kurz stehen, atmet die kalte Luft ein und denkt an die Worte der alten Dame in der Nachbarschaft, die schon Tage vorher weiß, wann es schneien wird. Diese besteht darauf, dass die Luft dann nach Schnee riecht und daher Schneeluft heißt. Helene schließt die Augen und versucht den Duft der Winterluft wahrzunehmen.

Zwei Häuser weiter spielen drei Kinder, die in Helenes Kindergarten von ihr betreut werden, miteinander und schauen sich ein Buch an. Ein Buch über die Titanic und die Macht der Eisberge. Sicher lag das Buch unter dem Weihnachtsbaum bei einem der Kinder.

Aus dem geöffneten Fenster einer Wohnung im Erdgeschoss eines Hauses, klingt ein leises Lied. Ein fast vergessenes Lied von Audrey Hepburn. Ihr "Moon River" wird heute kaum noch gespielt. Jedoch weiß Helene um den Liebeskummer der jungen Frau in diesem Haus. Man kennt sich eben in dieser Straße.

An einer Hofeinfahrt haben die Bewohner ihre Weihnachtsbäume abgelegt. Die Tannen sehen noch aus wie frisch geschlagen. Helene denkt bei sich, wie schade es ist, dass
man sie nicht wieder einpflanzen kann. Bald kommt die Jugend der Feuerwehr und sammelt diese Bäume ein. Morgen findet auf dem Sportplatz das alljährlich öffentliche Weihnachtsbaumverbrennen statt, eine lange Tradition. Es gibt Grillwürste, Glühwein und Tee. Die Menschen stehen dann beieinander, schauen in die Flammen und lassen ihre Gedanken ziehen.

Als Helene den kleinen Supermarkt erreicht, ziehen Wolken auf. Sie lächelt als sie einen neuen Duft wahrnimmt und denkt an ihre alte Nachbarin. Es riecht nach Schnee. Im Einkaufswagen liegt nicht viel, als Helene an der Kasse steht. Sie sieht auf ihrem Handy einen verpassten Anruf. Diese Nummer ist abgespeichert und sie lächelt.

Es ist kalt und Helene setzt ihre Handschuhe auf, als sie den Supermarkt verlässt. Es hat angefangen zu schneien. Sanft, sacht und zart, fast als würden die Schneeflocken vom Himmel auf die Erde tanzen.

Helene freut sich auf einen Espresso zu Hause. Als sie an den abgelegten Weihnachtsbäumen vorbeikommt, sind diese bereits vorsichtig vom Schnee bedeckt. Die drei Kinder haben das Buch gegen einen Schlitten eingetauscht. Auf die Windschutzscheibe ihres Autos hat die  junge Frau ein Herz gemalt und sie steigt in ihr Auto.

Der alte Mann und seine Enkelin kommen zeitgleich mit Helene im Wohnhaus an. Der Bart des Großvaters ist ganz weiß vom Schnee, genauso wie das weiche Fell des Dackels. Die Augen seiner kleinen Enkelin leuchten glücklich und sie beginnt im Vorgarten drei unterschiedlich große Kugeln zu rollen.

Helene verstaut den Einkauf im Kühlschrank und lässt einen Espresso in die kleine Tasse laufen. Sie öffnet das Fenster weit und schaut auf ein ganz anderes Bild als heute Morgen. Die Straße und der Fußweg sind weiß, die Bäume und Sträucher verhüllt und im Vorgarten steht ein Schneemann mit einer großen Möhre im Gesicht. Außer dem Lachen des kleinen Mädchens ist es still. Der Schnee hat nicht nur die Kleinstadt bedeckt sondern auch ihre lauten Geräusche verschluckt.




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