Das kleine Theater




Es war einmal ein kleines Theater in der Nebenstraße einer Stadt. Es gab eine Zeit, in der dieses Haus glänzte - INNEN und AUßEN. Da strömten die Menschen an den Wochenenden abends zu den Vorstellungen. An den Nachmittagen in der Woche, nach der Schule, übten Kinder und Jugendliche auf der Bühne. Ein Orchester sorgte für die Musik bei Aufführungen und Konzerten.

Das Haus war dann erfüllt vom Lachen und den Gesprächen der Gäste; es spürte die Aufregung der Künstler und es genoss die Klänge des Orchesters, dass nach dem Stab des Dirigenten spielte. Als der alte Intendant verstarb, wurde es immer stiller in dem kleinen Theater. Niemand fand sich, der das Haus kaufen oder als kleines Theater weiter betreiben wollte. Und so wurde das kleine Theater noch stiller. Ab und zu fand ein Konzert statt aber diese Konzerte konnten die Ränge nicht füllen.

Die Menschen vergaßen das kleine Theater. Dieses fühlte sich bald einsam, wurde traurig und sehnte sich nach den Klängen der Musikinstrumente des Orchesters. Es vermisste die sehnsuchtsvolle Musik der Geigen. Die Pauken und Trompeten fehlten ihm ebenso, wie die kräftigen Töne des Beckens. Die zarten Klänge der Harfe und die gefühlvollen Töne des Cellos hatten stets das Herz des kleinen Theaters erfüllt.

Im Winter wurde das Haus nur noch selten beheizt und der Putz der Fassade bröckelte langsam ab. All das betrübte dieses kleine Theater und sein Herz wurde ihm schwer. Es dachte oft an die alten Zeiten zurück, wenn der alte Intendant abends mit seiner Zigarre durch die vielen Räume des kleinen Theaters humpelte.

Unter den Menschen indessen wuchs die Sehnsucht nach Unterhaltung, nach der kurzen Flucht vom Alltag. Sie besannen sich wieder mehr darauf, in die Welt der Musik und der Märchen einzutauchen. Das Leben war rastlos geworden und die Zeit lief allen davon.

Eines Tages vernahm das Haus Stimmen und wurde neugierig. Irgendetwas tat sich auf der Bühne. Es sah das hektische Treiben einiger Menschen, die warm angezogen in den kalten Räumen hinter der Bühne sauber machten, Kisten auspackten, Kostüme auf Bügel hingen und es vernahm Musik. Klänge, die es fast vergessen hatte. Erst zart und leise, später kräftig und laut. Das Herz des kleinen Theaters begann wieder schneller zu schlagen.

Am nächsten Morgen durchzog eine wohlige Wärme das Haus. Die Heizkörper waren nicht mehr kalt und die Temperaturen im Saal, in den Garderoben und im Cafe war wieder angenehm war. Bald duftete es nach Kaffee und Kuchen, alles war ganz so, wie vor einigen Jahren.

Als es draußen zu dämmern begann, strahlten die Kronleuchter, wurden Kerzen angezündet, und auf den Tischen waren weiße Tischtücher und Blumen, die an die Gäste einen einladenden Eindruck vermittelten. In das Haus kamen Künstler, die in den Garderoben verschwanden, um sich umzuziehen. Später kamen immer mehr Menschen und füllten das kleine Theater mit Lachen, Stimmen, den verschiedenen Düften von Parfüm und Rasierwasser.

Bevor das Licht der Kronleuchter gedämmt wurde, nahmen die festlich gekleideten Gäste auf den Sitzen, die mit rotem Samt bezogen waren, Platz. Der ebenfalls rote Vorhang öffnete sich und es erklangen die ersten Töne des Orchesters. Die Künstler betraten die Bühne. In den folgenden zwei Stunden ließen sich die Gäste verzaubern, vergaßen die Hektik des Alltags oder ihre Sorgen.

Der tobende Beifall ließ das kleine Theater ahnen, dass die Menschen bald glücklich, begeistert und lächelnd das Haus verlassen würden. Es wünschte sich so sehr, dass die Menschen nun öfter wieder herkommen und die Zeit hier genießen würden.

Im Foyer stand ein altes flaschengrünes Chaiselongue. Auf ihm saßen ein Mann und eine Frau, die sich an den Händen hielten und sich glücklich anlächelten. Das kleine Theater schmunzelte und dachte bei sich, vieles ist anders geworden aber manches ändert sich nie. Was das Theater nicht wusste war, dass auf diesem flaschengrünen Chaiselongue der neue Besitzer und seine Frau saßen.

Sie waren mutig genug in das alte Haus zu investieren und es nun regelmäßig mit Leben und Lachen zu füllen.



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