Es weihnachtet schon ....



Edeltraut Trautzsch saß in der Küche und blätterte in ihrem Rezeptbuch. Sie überlegte, welche Plätzchen sie in diesem Jahr backen würde. Ihr Herbert mochte am liebsten die mit Marmelade gefüllten Spitzbuben; für ihren Sohn Robert, seine Frau und die Enkel würde sie wieder die obligatorischen Walnussplätzchen und eine Stolle backen. Die Nachbarskinder Ada und Albert mochten am liebsten Haselnussplätzchen und Helene die feinen Zimtsterne.

Für ihre Freundinnen würde Edeltraut jeweils eine Dose mit Kostproben jeder Sorte zurechtpacken. "Und Glühweingewürz! Herbertchen, wir brauchen auch Glühweingewürz!", rief sie ihrem Gatten zu, der mal wieder in den Sportteil der Zeitung vertieft, auf dem Sofa lag. "Herbert? Sag, schläfst du etwa?". Das leise Schniefen ließ Frau Trautzsch erahnen, dass Herr Trautzsch so gar kein Interesse an der Einkaufsliste seiner Frau hatte - Hauptsache es würde bald im Haus nach Weihnachtsplätzchen duften!

Doch die Vorfreude fand ein jähes Ende, als das Rentnerpaar mit dem Auto zum Einkaufen fuhr. Schon die Suche nach einer Lücke auf dem Parkplatz gestaltete sich schwierig. Herberts Laune sank von Minute zu Minute und Edeltraut spürte kalten Schweiß in ihrem Nacken. Doch so schnell ließ sie ihr sonniges Gemüt nicht im Stich; sie fanden einen Parkplatz und Edeltraut den vorletzten Wagen im nun leeren Einkaufswagenabstellbereich.

Mit einem Schwall an Kindern, Eltern, Singles und Rentnern betraten Herbert und Edeltraut den Einkaufsmarkt. Als sich die Schiebetür hinter ihnen schloss, empfing sie warme, abgestandene Luft und laute Weihnachtsmusik. "Edeltraut, ich kann nicht. Es ist doch erst Mitte November! Ich will nach Hause", flüsterte Herr Trautzsch. Doch Edeltraut tätschelte seine Schulter und lächelte.

Zwei Stunde später saßen die beiden wieder zu Hause am Küchentisch. Jeder hatte eine Serviette und ein halbes gegrilltes Hähnchen vor sich auf dem Teller liegen.

Dieses schnelle Mittagessen vom Grillwagen vor dem Einkaufsmarkt hatten sie sich mehr als verdient. Morle, Trautzschens Katze, streifte bei den herrlichen Düften und die Knöchel von Edeltraut.

"Ich bin fix und fertig, Edeltraut! Ich möchte das nicht mehr, nie wieder zum Einkaufsmarkt. Bin ich froh, dass wir in diesem Jahr über Weihnachten auf dem Kreuzfahrtschiff sind. Du weißt doch jetzt auch sicher besser als ich, wo in der Küche unser Einkauf einsortiert wird. Ich hole dir noch alles aus dem Auto und dann brauche ich eine Pause!", bat Herbertchen, als er seine Hähnchenhälfte sauber abgenagt hatte. Danach verschwand er in der Garage und putzte dort in aller Stille seine Trompetensammlung. Hier war er der König.

Edeltraut seufzte, ließ ihrem Kätzchen drei kleine Stückchen vom Hähnchen zum Naschen übrig und wusch sich anschließend die Hände. Bevor sie all die Lebensmittel auspacken würde, griff sie zu einem kleinen Karton, den sie heimlich tief in den Einkaufswagen gesteckt hatte, während Herbert einen Gang weiter nach den Glühweingewürzen suchte. In dem kleinen, bunten Karton mit neuen Ausstechförmchen lag unter anderem eine Trompete.  Edeltraut würde in diesem Jahr für Herbert Weihnachtsplätzchen in Trompetenform ausstechen und backen.

'Und der Weihnachtsmann bekommt ....' sie überlegte und schaute sich alle Ausstechförmchen genauer an. Dann lächelte Edeltraut: '... der bekommt Rentierkekse. 


Ende

 

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